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Im Gefängnis des Glaubens

Im Gefängnis des Glaubens

Titel: Im Gefängnis des Glaubens
Autoren: Lawrence Wright
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– es wäre schlecht für das Image.« Er fügte hinzu: »Ihnen war das Geld ausgegangen. Wir wussten alle, dass sie uns kündigen würden.«
    Vor Kurzem haben Paul und Deborah beschlossen, sich scheiden zu lassen. Sie sind in dasselbe Viertel in New York gezogen, um ihren Sohn gemeinsam großziehen zu können. Deborah ist ebenfalls aus Scientology ausgestiegen. Beide sagen, die Entscheidung, ihre Ehe zu beenden, habe nichts mit ihrer Abkehr von Scientology zu tun.
    Am 9. November 2010 fand im Ziegfeld Theatre in Manhattan die Premiere von The Next Three Days statt. Die Filmstars stellten sich auf dem roten Teppich dem Blitzlichtgewitter. Jason Beghe erzählte mir, dass er Daniel Montalvo mitgebracht hatte, den jungen Mann, der in der Druckerei von Scientology einen Finger verloren hatte. Montalvo war erst kurz zuvor aus der Sea Org geflohen. Er war 19 Jahre alt. »Er hat noch nie ferngesehen«, berichtete der Schauspieler fasziniert. »Er weiß nicht, wer Robert Redford ist.« Nazanin Boniadi, die in dem Film eine kleine Nebenrolle spielt, war ebenfalls gekommen: Haggis hatte ihr die Rolle gegeben, nachdem er erfahren hatte, wie Scientology und Tom Cruise sie behandelt hatten. »Die Geschichte von Naz war eine von denen, die mir vor Augen führten, dass ich jahrelang belogen worden war, dass ich aussteigen musste und nicht schweigen durfte«, vertraute mir Haggis später an.
    Nach der Premiere zog der Filmtross ins Plaza-Hotel um. Ich fand Haggis in einem Winkel des Oak Room, wo er die Glückwünsche seiner Freunde entgegennahm. Ich fragte ihn, ob er das Gefühl habe, Scientology nun endlich hinter sich gelassen zu haben. »Ich fühle jetzt viel mehr, aber da ist eine gewisse Traurigkeit«, gab er zu. »Wenn du dich so lange mit etwas identifiziert hast und plötzlich begreifst, dass es eigentlich nicht zu dir gehört, bleibt eine gewisse Leere zurück.« Er fuhr fort: »Es ist eigentlich nicht das Gefühl, meine Gemeinschaft verloren zu haben. Die Personen, die sich von mir losgesagt haben, waren nie wirkliche Freunde.« Er verstand, wie sie über ihn dachten und warum sie es taten. »In Scientology, in den Ethik-Zuständen, steigst du von Normal ab zu Zweifel, von dort aus zu Feindseligkeit, und erreichst schließlich, wenn du fast am Fuß der Leiter bist, den Zustand des Verrats. Mein Ausscheiden war ein Akt des Verrats.«
    Der Film kam beim Publikum nicht gut an und erhielt gemischte Kritiken. Unglücklicherweise lief zur selben Zeit die Verfilmung des letzten Bandes der Harry-Potter -Reihe an. 1234 Haggis musste sein Büro schließen. Es sah aus, als stünde ihm eine weitere berufliche Durststrecke bevor, aber anschließend schrieb er das Drehbuch für das Videospiel Modern Warfare 3 , das einen Verkaufsrekord aufstellte und in den ersten 16 Tagen nach Erscheinen eine Milliarde Dollar in die Kassen der Produktionsfirma spülte. 1235
    Ich fragte Haggis einmal nach der Zukunft seiner Beziehung zu Scientology. »Diese Leute vergessen nicht«, sagte er. »Ich nehme an, dass man mich in den nächsten zwei Jahren in einen Skandal verwickeln wird, der scheinbar nichts mit der Kirche zu tun hat.« Er dachte kurz nach und fuhr fort: »Ich war 34 Jahre in einer Sekte. Jeder konnte es sehen. Ich weiß nicht, warum ich es nicht sehen konnte.«
    Marty Rathbun unterteilt die Personen, die aus Scientology aussteigen, in drei Gruppen. Da sind zunächst jene, die L. Ron Hubbards Lehren nach ihrem Ausstieg vollkommen ablehnen. Zu dieser Gruppe gehört Paul Haggis. Sodann gibt es Personen, die weiterhin an die Scientology-Doktrinen glauben, aber der Meinung sind, unter der Führung von David Miscavige habe Scientology die wahre Lehre Hubbards verraten. Eine dritte Gruppe, deren Abgrenzung Rathbun schwergefallen ist, umfasst jene Menschen, die weder sämtliche Dogmen akzeptieren wollen noch bereit sind, auf die Erkenntnisse zu verzichten, die sie in ihrer Zeit bei Scientology gewonnen haben. Sie orientieren sich weiter an Hubbards Leben und seinen Lehren. »Sie würden nicht dabei bleiben, wenn sie nicht davon profitiert hätten«, meint Rathbun. 1236 Er hat in der Geschichte anderer Religionen nach Parallelen gesucht und zitiert ein altes Zen-Sprichwort: »Wenn der Meister auf den Mond zeigt, sehen viele Menschen nur den Finger des Meisters.«
    Rathbun betreut mittlerweile Scientologen, die sich von der Kirche lösen. Deshalb wird er von Scientology ständig überwacht und immer wieder belästigt. Seine Computer wurden gehackt,
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