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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst
Autoren: dtv
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Bernstein? Mensch, Mom, mach die Augen auf. Ich stelle die Platte mit dem Huhn neben Dad.
    »Du bist dran, Arman«, sagt Mom. »Was gibt’s Neues in der Welt der Mikroben?«
    Dad blickt von seinen Kichererbsen auf, nimmt ein Hühnerbein und legt es in ein Nest aus Reis. »Tja   …« Er gießt Orangensauce darüber. »Tja   …« Er schneidet ein Stück Fleisch ab, steckt es in den Mund, kaut langsam, schluckt und tupft sich den Mund mit der Serviette ab. »Tja   …«
    »Ja«, sagt Mom. »So weit haben wir dich verstanden.«
    Dad legt seine Serviette zur Seite und platziert seine Hände links und rechts von seinem Teller. »Also gut. Na schön. Wegen morgen, Sami. Unser Wochenende. Mein Kollege Auggie Brandt sollte am Sonnabend einen Vortrag halten. Aber er ist krank geworden. Er hat mich gebeten, ihn zu vertreten.«
    »Du hast natürlich Nein gesagt«, meint Mom.
    »Das wollte ich auch. Aber Auggie hat mir schon so oft einen Gefallen getan. Und da   …«
    »Da gibt’s kein ›und da‹.« Moms Augen verengensich. »Sonnabend gehst du mit Sami zum Baseball. Das haben wir beide so besprochen. Und so geplant. Wir waren uns einig, dass das wichtig ist.«
    »Ich weiß. Und das ist es auch«, sagt Dad. »Aber es geht nicht.« Er wendet sich an mich. »Tut mir leid, Sami.«
    Ich zucke die Achseln. »Gibt ja immer noch das Spiel der Leafs am Sonntagabend. Und am Sonnabend kann ich ja alleine ins Stadion gehen.«
    Dad schüttelt den Kopf. »Geht nicht. Morgen Abend muss ich mich vorbereiten. Und ich will nicht, dass du alleine in einer fremden Stadt rumläufst. Wir machen unseren Ausflug einfach ein andermal.«
    »Du meinst, das ganze Wochenende fällt flach?«
    Er hebt die Hände, als läge es nicht an ihm.
    Mein Magen fährt Fahrstuhl. »Nicht doch, Dad, bitte! Ich habe es schon allen erzählt. Außerdem – wir fahren doch nach Kanada. In Kanada passiert nie was. Da ist es sicherer als im Kindergarten.«
    »Ich habe eine Idee«, unterbricht mich Mom. »Ich rufe gleich Deb an, tausche meinen Dienst mit ihr und komme mit. Dann wird es eben ein Familienausflug.« Sie nickt mir zu. »Dann geh ich mit dir ins Stadion, während dein Vater arbeitet.«
    »Aber dazu hast du doch sonst nie Lust«, sage ich.
    »Mach ich eben mal eine Ausnahme.«
    Dads Gesicht wird finster. »Gute Idee, Neda, aber nicht sehr hilfreich.«
    »Nicht sehr hilfreich – was soll denn das?«
    »Nicht vor dem Jungen«, warnt Dad.
    »Arman«, sagt Mom ruhig. »Wenn du Sami nicht begleiten kannst, dann tue ich es.«
    »Unmöglich. Ich muss arbeiten. Ich muss mich konzentrieren.«
    »Dann werden Sami und ich eben ein eigenes Zimmer nehmen.«
    »Das steht nicht zur Debatte.«
    »Was soll das heißen, das steht nicht zur Debatte?«
    »Ich meine, es ist zu spät«, sagt Dad. »Ich habe die Karten schon zurückgegeben.«
    »Was?« Mom lehnt sich in ihrem Stuhl zurück. »Oh ne mit mir zu reden?«
    »Dazu war keine Zeit.«
    »Keine Zeit? Ein Anruf hätte genügt!«
    »Daran habe ich nicht gedacht.«
    »Ist schon okay, Mom«, sage ich.
    »Nein«, flüstert sie. »Ganz und gar nicht.«
    »Ich mache es wieder gut, inschallah!«, sagt Dad. »Sobald ich ein Wochenende freihabe, fahren wir alle drei nach New York. Wie wäre das? Neda, du kannst durch die Geschäfte bummeln und Sami und ich gehen zu den Yankees. Wie findet ihr das?«
    Ich wende mich an Mom. »Darf ich aufstehen?«
    Sie nickt. Wir erheben uns beide.
    Dad guckt verblüfft. »Neda?«
    Aber Mom ist schon auf dem Weg ins Wohnzimmer. Es ist das erste Mal, dass sie vom Tisch aufsteht und das Geschirr stehen lässt. Ich höre, wie die Türen zugehen und der Fernseher angeht. Ich nehme meinen Teller und bringe ihn in die Küche.
    »Ich habe gesagt, wir fahren nach New York!«, verteidigt sich Dad.
    »Klar doch, schon gut.«
    »Sami   …«
    Ich drehe mich ruckartig um. »Vergiss es einfach, Dad, ja? Ist doch weiter nichts. Es gibt eben Dinge, die dir wichtiger sind als ich.«

4
    Ach, du Scheiße. Was ist denn da gerade passiert? Mom und Dad streiten sich nie, und wenn es was zu diskutieren gibt, dann tun sie es in ihrem Schlafzimmer. Außerdem hat Dad mich nicht zurückgepfiffen, als ich aus dem Esszimmer gestürmt bin. Ist Vollmond oder was?
    Erst will ich den Rest Essen von meinem Teller in den Müll kippen, aber das Pistazienhuhn sieht zu verlockend aus. Also nehme ich es mit nach unten in mein Zimmer – das ich Dad zu Ehren offiziell in arschlochfreie Zone umtaufe – und setze mich vor den
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