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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst
Autoren: dtv
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inschallah.« Er setzte sich neben mich und legte seine Hand auf meine. »Wenn du den Propheten nicht respektierst,dann respektierst du dich selbst nicht, und auch kein anderer wird das tun.« Er machte eine Pause. »Die beiden Jungen – die waren mit dir auf dem Golfplatz, stimmt’s?«
    Ich starrte auf das Platzdeckchen.
    »Ohne Vertrauen können wir nicht leben«, sagte Dad leise. »Lüg uns nie wieder an.«
    »Tut mir leid.«
    Er drückte mich. Mom küsste mich auf die Stirn.
    Später ging ich zu Andy rüber. Marty war schon da. Die beiden schauten zu, wie Mr Johnson das Brett mit dem Basketballkorb über der Garage anbrachte. Ich erzählte ihnen, was Dad gesagt hatte.
    »Und wie sollen wir dich nennen?«, fragte Andy.
    »Wie wär’s mit meinem Namen?«, sagte ich. »Mo hammed . Oder bloß Hammed.«
    Marty guckte verwirrt. »Hast du keinen anderen Namen?«
    »Was ist denn an Mohammed so schlimm?«
    »Nichts. Es ist bloß irgendwie   … na ja   …«
    Ich wollte sagen, dass es Basketballspieler gibt, die Jesús heißen. Und was ist mit all denen, die Matthew, Mark, Luke oder John heißen, wie die vier Evangelisten? Oder Jacob, Isaac, Rachel und Sarah? Aber das tat ich nicht. »Mein zweiter Name ist Sami.«
    Andy strahlte. »Sammy. Wie Onkel Sam. Super.«
    Nein, einfach wie der persische Name Sami,
dachte ich. Aber gesagt habe ich nichts. Andy schien das zu gefallen und ich wollte ihn nicht durcheinanderbringen. Oder vielleicht wollte ich auch einfach nicht mehr so blöde dastehen und weiter ausgefragt werden.
    Dad war nicht sehr glücklich über meinen Namenswechsel, aber Mom beruhigte ihn. »Nun lass den Jungen doch mal, Arman«, sagte sie. »Sami ist sein zweiter Name. Der Name deines Vaters. Was ist denn dagegen zu sagen?«
    Sami/Sammy. An dem Tag, an dem ich meinen Namen änderte, wurde mir klar, dass Wahrheit und Wahrheit nicht unbedingt dasselbe ist. Und dass sogar etwas so Simples wie ein Name für jeden was anderes bedeuten kann.
    Jedenfalls, bevor Andy nebenan einzog, hatte Mom mich auf dem Weg zu ihrer Arbeit in der Apotheke mit dem Auto zur Schule gebracht. Ab sofort radelte ich mit meinen neuen Freunden. Mein Leben änderte sich total. Andy zog andere an wie ein Magnet. Ich war schon seit der Vorschule auf der Meadowvale-Schule, aber erst durch Andy lernten mich die anderen Kinder kennen. »Das ist Sammy«, sagte er an seinem ersten Tag auf dem Pausenhof. »Er wohnt bei mir nebenan und ist mein Freund.«
    Kinder, die mich als Mohammed übersehen hatten, als den Spinner, der in der Pause pennt, nahmen plötzlich Notiz von Sammy, dem Freund von dem coolen Jungen mit den abgedrehten Ideen. Auch Marty stand in einem anderen Licht und war nicht mehr bloß »der fette Trottel«. Günstig war, dass Andy anderthalb Jahre älter ist als wir. Er musste ein Schuljahr nachholen, weil seine Mutter ihn zu Hause unterrichtet hatte – ohne Erfolg.
    Ich weiß nicht so genau, was Andy unsere Freundschaft bedeutet. Ich weiß nicht mal, ob er überhauptdarüber nachdenkt. Ich weiß nur, dass Marty und ich immer diejenigen gewesen sind, mit denen er zusammen sein wollte, ganz egal, wie viele Freunde er sonst hatte. Wir waren die Auserwählten. Seine größten Anhänger. Sein Gefolge.
    Es war einfach super. Aber am Ende der neunten Klasse passierte die Sache mit Mary Louise Prescott und dem kleinen Club ihrer Mutter. Danach verfrachtete mich Dad in die Theodore-Roosevelt-Academy für Jungen, wo ich zu den Aussätzigen unseres Jahrgangs gehöre. Zwar hänge ich immer noch wenn irgend möglich mit Andy und Marty ab, wir simsen regelmäßig und spielen manchmal Online-Spiele zusammen. Aber wir gehen jetzt schon ein Jahr lang auf verschiedene Schulen und es ist einfach nicht mehr so wie früher.
    Das geht mir durch den Kopf, als wir drei unsere Füße in den Brunnen gegenüber vom Eisladen hängen lassen und über das neue Schuljahr reden, das bald anfängt. Wir kommen in die elfte Klasse.
    »Wir kriegen wieder den Holzkopf. Wie soll das bloß werden?«, stöhnt Andy. Er meint Mr Boney, seinen Mathelehrer, der schuld ist, dass Andy in den Sommerferien den Mathekurs belegen musste. Andy und Marty haben dieselben Lehrer, da beide genau dieselben Kurse belegt haben. Und sie haben neue Freunde, die ich noch nie gesehen habe.
    Marty stupst Andy in die Rippen. »Holzkopf ist doch gar nichts, denk mal an Calhoun.« Er imitiert einen Lehrer, der offensichtlich O-Beine hat und seine Fingerknöchel über den Boden schleifen
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