Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Kurz darauf tauchten von allen Seiten Golfmobile auf und machten Jagd auf uns. Wir konnten entkommen, aber eine Stunde später bekamen meine Eltern einen Anruf vom Geschäftsführer des Golfclubs. Da ich als einziger Mensch auf dem Golfplatz dunkelhäutig war, bin ich natürlich aufgefallen.
    »Ich habe keinen Golfball angerührt«, erklärte ich meinen Eltern. »Ich hab mir bloß welche angeguckt,weil ich wissen wollte, welche Marke am weitesten fliegt.«
    »Und das sollen wir dir glauben?«, sagte Dad. »Wer waren die anderen?«
    »Da waren keine anderen. Ich war allein. Hab gedacht, das ist okay, weil wir doch Mitglied sind.«
    Dad klatschte sich mit der Hand an die Stirn. »Lü gen , nichts als Lügen!« Und dann ließ er sich lang und breit darüber aus, wie er und Mom vor meiner Geburt sich in dem gerade neu erschlossenen Wohngebiet Meadowvale ein Haus bauen wollten, aber dem Makler erst mit einer Klage drohen mussten, bevor er ihnen das Grundstück verkaufte. Und ausgerechnet jetzt, da wir endlich dazugehörten – »Ich bin Mitglied der Planungskommission und Mom ist im Komitee, das über die Einladungen für die Damenturniere entscheidet« – entpuppte ich mich als jugendlicher Krimineller.
    »Aber er hat doch gar nichts gemacht!« Mom nahm mich in den Arm. Ich hatte meinen Hundeblick aufgesetzt. »Mohammed ist ein guter Junge. Wenn er sagt, er hat nichts gemacht, dann hat er auch nichts gemacht.«
    Ich kam mir total beschissen vor. Bis dahin hatte ich noch nie irgendwas wirklich Schlimmes angestellt, jedenfalls konnte ich mich an nichts erinnern. Und meine Eltern angelogen hatte ich auch noch nie. Vor allem Mom nicht.
    Trotzdem, als ich am Abend unter die Decke kroch, musste ich immer wieder daran denken, wie toll es gewesen war, mit Andy und Marty zwischen den Bäumen und Büschen hindurchzuschleichen und so zutun, als wären wir Spione. Wenn ich weiter mit den beiden zusammenblieb, würde ich bestimmt noch öfter Krach mit meinen Eltern kriegen. Aber ich konnte es kaum erwarten, die beiden Jungs wiederzusehen.
    Mein Wunsch wurde erfüllt. Als ich am nächsten Morgen vor meinem Ameisenhaufen hockte, brachte Marty sein Fahrrad mit quietschenden Bremsen vor Andys Haustür zum Stehen. Ich winkte, aber er nickte kaum. Als wäre unsere Begegnung gestern nur ein Traum gewesen. Doch im nächsten Moment kam Andy aus dem Haus geflitzt und alles war gut.
    »Hey, Prophet!«, brüllte er zu mir rüber.
    »Hey, Prophet!«, echote Marty.
    Beide kamen angerannt. Andy vorneweg. Ich sprang auf.
    »Marty will mir die Gegend zeigen«, sagte Andy und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. »Kommst du mit?«
    »Klar. Ich muss nur fragen   …«
    Aber da kam Dad schon aus der Garage, mit sturmumwölkten Augen.
    »Das ist mein Dad«, sagte ich vorsichtig. »Dad, das sind meine neuen Freunde, Andy und Marty. Andy ist gerade eingezogen.«
    Dad nickte. »Willkommen!«
    »Wir wollen Rad fahren«, sagte ich. »Ja?«
    »Deine Mutter und ich brauchen dich.« Und er klatschte in die Hände. Beschämt lief ich ins Haus. Dad verlangte, dass ich mich an den Küchentisch setzte. Mom stand an der Spüle, er nahm mich in die Mangel. »Warum haben diese Jungen dich Prophet genannt?«
    Ich spielte mit dem Rand der Tischdecke. »Weiß nicht.«
    »Hände auf den Tisch«, sagte Dad.
    Ich legte die Hände auf das Platzdeckchen und strich mit den Fingerspitzen über das Baumwollgeflecht.
    »Also«, sagte Dad, »warum haben sie dich Prophet genannt?«
    »Du weißt doch, warum«, murmelte ich.
    »Ja, ich weiß, warum. Aber ich möchte, dass du es sagst.«
    Ich schloss die Augen. »Weil ich Mohammed heiße.«
    Dad saugte Luft durch die Zähne.
    »Dad, das ist doch bloß ein Spitzname.«
    »Ich weiß, was Spitznamen sind«, sagte er langsam. »Prophet ist nicht bloß ein Spitzname.«
    »Dad, das bedeutet, dass sie mich mögen. Das bedeutet, dass ich ihr Freund bin.«
    »Solche Freunde brauchst du nicht.«
    Mom legte ihre Hand auf seine Schulter. »Arman, das hat wirklich nichts zu bedeuten. Sie wissen es einfach nicht besser, das ist alles. Mohammed wird ihnen das schon klarmachen. Oder, Hammed?«
    Meine Ohren brannten. »Gestern warst du doch noch so stolz darauf, dass du angepasst bist«, sagte ich leise. »Und was ist mit mir?«
    »Ich habe gesagt, dass wir dazugehören. Das ist nicht dasselbe wie angepasst«, erwiderte Dad. »Deine Mutter und ich haben uns nie von unserer Herkunft distanziert. Und das werden wir auch niemals tun,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher