Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
die verbliebenen Wächter der Schlagbäume gab es Bargeld, das sie dazu motivierte, im richtigen Moment in die falsche Richtung zu schauen. Waffen, Drogen, Menschen und alles andere, was reichen Profit versprach. Handel, legal oder illegal, kannte keine Grenzen und keine Nation. Die Ausschreitungen wurden von den Bossen geschürt, die den unterschiedlichsten Ethnien angehörten und meist im Ausland residierten: in Zürich, Ljubljana, München, Hamburg, Wien, Triest. Der Bericht war bereits vier Jahre alt, und Laurenti fiel es schwer, ihm zu glauben. Zu oft schon hatten sich Geheimdienste als krude Konstrukteure falscher Tatsachen entpuppt.
    »Wo sind die Zwillinge eigentlich?« Er schaute sich um.
    Auf dem Vorplatz der Basilika von Aquileia hatte er sie nicht gesehen. Nur ihr Halbbruder Nikolaus war inmitten der Nobellimousinen in schwarzer Lederkluft auf einer röhrenden Moto Guzzi Aquila Nera vorgefahren, die er so knapp am Rand der Anfahrt abgestellt hatte, dass selbst die Eskorte des Premiers abbremsen musste, weshalb der Fahrer des vordersten Wagens kurz die Sirene antippte. Doch keiner der Beamten hatte gewagt, den Sohn zur Ordnung zu rufen.
    »Wenn sie Trauer tragen, sind die Biester noch hübscher. Trudi und Magda haben den Seiteneingang genommen. Zusammen mit Spechtenhausers erster Frau. Sie wird von einem Mann begleitet, der sicher fünfzehn Jahre jünger ist und sich als Anwalt vorstellte, doch kann man förmlich riechen, dass die beiden anderes verbindet. Und Professor Moser war auch bei ihnen«, berichtete Xenia.
    Laurenti kannte ihn. Moser, etwa so alt wie Spechtenhauser, stammte auch aus Südtirol und wohnte ebenfalls in einer luxuriösen Villa auf dem Karst. Der Mann war der Patenonkel der Zwillinge und Geschäftspartner des Verstorbenen gewesen.
    »Magdalena sagte, sie wollten den Trauergästen erst beim anschließenden Empfang auf dem Gehöft begegnen. Auch du solltest dort hingehen, Proteo, sie erwarten über dreihundert Personen.« Die Kommissarin blickte auf das Funkgerät in ihrer linken Hand, das plötzlich aufgeregt zu knarren begann. »Entschuldige mich bitte einen Augenblick.«
    Xenia hielt das Gerät ans Ohr und entfernte sich ein paar Schritte.
    Laurenti sah, wie sie sich schon beim ersten Wortwechsel hektisch umschaute. Die Konversation blieb kurz. Mit einer energischen Geste winkte die junge Polizistin drei Beamte herbei, die ihr unterstellt waren. Aus dem Augenwinkel nahm Laurenti wahr, dass auch andere Polizisten sich plötzlich aufgeregt in kleinen Grüppchen zusammenfanden, Befehle erteilt wurden und die Beamten im Laufschritt entschwanden. Xenia vorneweg, sie winkte ihm nicht einmal mehr.

Goldrausch
     
    Im Gefängnis, so wollte es der Gesetzgeber, sollten Straftäter auf ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereitet und zu einem rechtschaffenen Leben in Freiheit befähigt werden. Jeder Einzelne der Gruppe, die in den letzten Monaten von zwei Männern zusammengestellt worden war, die Direktor und Einstein genannt wurden, war wegen guter Führung vorzeitig und auf Bewährung entlassen worden. Im Knast hatten manche von ihnen den Schulabschluss nachgeholt oder ein Handwerk erlernt: Koch, Schreiner, Informatiker.
    Einstein, in dessen Personalausweis der Name Salvatore Cassara eingetragen war, 1967 in Bagnara Calabra geboren, hatte acht Jahre wegen besonders schweren Raubes abgesessen und war einst nur deshalb aufgeflogen, weil einer der Mittäter gegenüber einer neuen, begehrenswerten Bekanntschaft mit der Genialität des Coups geprahlt hatte. Leider war dem Mann dabei entgangen, dass es sich bei der verführerischen Dame um eine Polizistin handelte, die der Staatsanwalt auf ihn angesetzt hatte. Zwei Kunstwerke hatten die Ganoven am helllichten Tag so kaltblütig aus Saal 9 der Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom gestohlen, dass die Medien fast bewundernd über den Raub berichteten. Es habe sich um eine Auftragstat gehandelt, behauptete Einstein während der Verhandlung, den Auftraggeber könne er aber selbst nicht benennen, weil er ihn persönlich nie kennengelernt habe. Selbst seine Gage habe er anonym per Post erhalten, nebst der Anleitung, wie er vorzugehen habe, und ergänzt um die Drohung, dass es ihn teuer zu stehen komme, wenn er den Auftrag nicht oder anders ausführen werde. Er habe schließlich aus schierer Angst gehandelt. Die Meisterwerke von Amedeo Modigliani und Giacomo Balla galten bis heute als verschollen. Erschwerend hatte eine frühere Ermittlung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher