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Im Dreieck des Drachen

Im Dreieck des Drachen

Titel: Im Dreieck des Drachen
Autoren: James Rollins
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feiern.
    Einen äußerst merkwürdigen Augenblick lang überrollte Jimmy eine Woge der Melancholie beim Gedanken an seinen einzigen Sohn. Diese plötzliche Stimmung war ihm unerklärlich, und er schüttelte den Kopf. Das lag an diesem Ort. Irgendwer schien hier stets gegenwärtig zu sein. Vielleicht die Götter meiner Vorväter, dachte er nur halb im Scherz.
    Jimmy ging weiter auf die wärmende Schutzhütte zu. Auf einmal wollte er der Kälte ebenso sehr entkommen wie die Touristen. Sein Blick folgte der Rauchspur zur Sonne tief am östlichen Horizont. Eine Finsternis. Seine Vorfahren hatten dazu gesagt, dass ein Wal die Sonne fraß. Die Verfinsterung sollte in den kommenden paar Stunden eintreten.
    Plötzlich knurrte Nanook an seiner Seite, ein tief aus der Kehle kommender Laut. Jimmy sah zu ihm hinunter. Der Malamute starrte nach Süden. Stirnrunzelnd folgte er seinem Blick.
    Von dem hölzernen Totem abgesehen waren die Felsen leer. Das Ding war übrigens eine Attrappe für die Touristen, irgendwo in Indonesien maschinell gefertigt und per Schiff hierherverfrachtet. Nicht einmal das Holz stammte aus diesen Breitengraden.
    Nanook knurrte nach wie vor.
    Jimmy konnte sich nicht erklären, was seinem Hund einen solchen Schrecken einjagte. »Ruhig, mein Junge.«
    Gehorsam wie immer setzte sich Nanook, zitterte jedoch noch immer am ganzen Leib.
    Mit zusammengekniffenen Augen schaute Jimmy über das leere Meer hinaus. Dabei kam ihm ein altes Gebet über die Lippen, das ihn sein Großvater gelehrt hatte. Er war überrascht, dass er sich sogar an den Wortlaut erinnerte, und hätte nicht sagen können, warum er den Drang verspürte, die Worte jetzt auszusprechen. Wenn man allerdings in Alaska überleben wollte, lernte man, der Natur und den eigenen Instinkten Respekt entgegenzubringen – und genau das tat Jimmy jetzt.
    Es war, als stünde sein Großvater neben ihm, zwei Generationen, die hinaus aufs Meer schauten. Sein Großvater hatte einen Ausdruck für Augenblicke wie diesen: »Der Wind riecht nach Sturm.«
    16.05 Uhr PST (10.05 Uhr Ortszeit)
Hagatna, Guam
    Jeffrey Hessmire verfluchte sein Pech, während er durch die Korridore des Regierungsgebäudes eilte. Es war der Tag der Sonnenfinsternis, und die erste Sitzung des Gipfeltreffens war für einen frühen Brunch unterbrochen worden. Die Staatschefs der Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China würden laut Terminplan erst anschließend wieder zusammentreffen.
    Als Praktikant war Jeffrey mit der Aufgabe betraut worden, während der Sitzungspause die Notizen zu tippen und zu fotokopieren, die der Außenminister sich am Morgen gemacht hatte, und sie dann unter der amerikanischen Delegation zu verteilen. Während sich also die anderen Mitarbeiter am Buffet im Innenhof gütlich taten und ihre Netze zu den Mitgliedern des Präsidentenstabs spannen, musste er den Stenografen spielen.
    Was taten sie eigentlich hier draußen mitten im Pazifik? Eher würde ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, als dass die beiden Pazifik-Mächte jemals ein atomares Abrüstungsabkommen schließen würden. Keines der beiden Länder wollte nachgeben, insbesondere nicht bei zwei entscheidenden Punkten. Der Präsident hatte darauf bestanden, dass auch Taiwan unter den Schutz des allerneuesten Raketenabwehrsystems seines Landes stehen sollte, und der Ministerpräsident der Chinesen hatte jeglichen Vorstoß abgewehrt, die Anzahl der eigenen Interkontinentalraketen mit Nuklearsprengköpfen zu begrenzen. Der einzige Erfolg dieses einwöchigen Gipfeltreffens hatte lediglich darin bestanden, dass die Spannungen zwischen beiden Ländern noch größer geworden waren.
    Es hatte nur einen einzigen Lichtblick gegeben, und das war gleich am ersten Tag die Annahme eines Geschenks des chinesischen Ministerpräsidenten durch Präsident Bishop gewesen: die lebensgroße Jadeskulptur eines alten chinesischen Kriegers auf einem Streitross, die Kopie einer ihrer berühmten Terrakotta-Statuen aus der Stadt Xi’an. Die Presse hatte ihren großen Tag gehabt, als sie die beiden Staatsoberhäupter neben der prächtigen Figur fotografiert hatte. Es war ein Tag voller Versprechen gewesen, die bislang unerfüllt geblieben waren.
    Als Jeffrey die Bürosuite betrat, die ihrer Delegation zugewiesen worden war, ließ er kurz seinen Ausweis bei dem Wachmann aufblitzen, der kalt nickte. An seinem Schreibtisch angekommen, fiel er in den Ledersessel. Obwohl ihm eine solche Fronarbeit zuwider war, würde er sein Bestes geben.
    Er
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