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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume
Autoren: Paola Calvetti
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Profi.
    Ich antwortete dem Gentleman, indem ich auf das Bild tippte.
    Â»Ich hätte gerne … das hier.«
    Â»Mit Sahne oder ohne?«
    Sahne musste schon sein. Gott allein wusste, wie sehr ich das brauchte.
    10:31 Uhr
    Der Wohltäter mit dem verschmitzten Gesicht eines Kobolds steigt die Treppe zu diesem Rettungsfloß herauf und hält auf meinen Tisch zu, in den Händen ein Plastiktablett mit der heißen Schokolade, einer Zuckerdose, diversen Süßstofftütchen und einem Teller mit einer roten Papierserviette, auf der zwei Kekse liegen. Farblich eine wahre Pracht.
    Â»Bitte sehr, Signorina. Mit der Sahne hab ich’s vielleicht etwas zu gut gemeint.«
    Und auch mit den Keksen, denke ich dankbar. Dieser Knabe hat meine soziale Isolation gespürt und möchte sich solidarisch zeigen. Er wischt die Krümel in die geöffnete Hand, stellt die Tasse auf den Fleck und registriert gleichzeitig die Bestellung der beiden Mädchen, die sich am Nebentisch niederlassen. Ihre Lippen sind gepierct. Sie haben ihre iPods ausgeschaltet, entledigen sich ihrer Zara- und H&M-Tüten und verlangen einen Jasmintee und einen Cap puccino, aber bitte »sehr heiß und nicht zu viel Schaum«. Wehmütig stammele ich ein Dankeschön und durchstoße mit meinem Löffel die weiche Spitze der weißen Haube, während eine warme Träne, die nicht die Freundlichkeit besaß, mich vorzuwarnen, die Mauer aus Wimperntusche überwindet und meine Wange hinabrollt. Könnte ich doch nur durch eine Falltür im Boden verschwinden, denn aufzustehen und ein Taschentuch aus meiner Tasche zu kramen ist ausgeschlossen. Ich versenke den Löffel und studiere mit gesenktem Kopf den Kampf zwischen dem luftigen Weiß und dem sämigen Braun der Schokolade, diesem festen Boden unter der Decke des munter wirbelnden Schnees. Vielleicht würde er gerne an meinen Tisch treten und sagen: »Nun kommen Sie schon, ziehen Sie nicht so ein Gesicht«, oder einfach nur wissen wollen, was zum Teufel denn passiert war, aber das wäre mir dann noch peinlicher, und so atme ich erleichtert auf, als sich Glatzkopf über den Tresen beugt und nach ihm ruft und »Maaaanuel« sich schleunigst von diesem Elend entfernt. Eine Frau, die am 22. Dezember in einer Bar Tabacchi hockt und heult, ist mit Sicherheit kein toller Anblick.
    Macht euch auf etwas gefasst, Mädels, das ist erst der Anfang. Eurer Generation blüht vermutlich Schlimmeres. Der Eintritt in die Welt der Erwachsenen wird noch demütigender werden, da ihr nicht nur mit einer einzigen Geste eines ungebildeten Chefs euren Arbeitsplatz verlieren könnt, sondern es vielleicht gar nicht erst bis zu einem Arbeitsplatz schafft. Natürlich spreche ich das nicht laut aus. Besser schnell die heiße Schokolade trinken und dieser öffentlichen Demütigung ein Ende bereiten. Allerdings kann ich noch gar nicht gehen, denn ich bin noch gar nicht bereit für meine treuen vier Wände und alles, was mich dort erwartet, das Sofa, der Fernseher, das Echo dieses »Signorina, tut mir leid, aber Ihr Profil entspricht nicht den Anforderungen der neuen Breston & Partners«.
    Ich denke nach und nippe an dem dickflüssigen Nektar.
    Ein Löffel, ein Gedanke.
    Und immer noch weine ich, als hätte ich eine Allergie. Mein letzter Stolz hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, meine Nachbarinnen kichern hinter vorgehaltener Hand, sicher, klar, sie reden über etwas anderes, aber … Was, wenn sie über mich reden? Wenn man weint, weint man und kann schlicht und ergreifend nicht positiv denken oder sich eine friedliche Landschaft vorstellen oder autogenes Training praktizieren, zumal Letzteres bei einem ausgewachsenen Trauma keineswegs den von Handbüchern und Yogalehrerinnen versprochenen Effekt hat. Ich möchte diese Bastarde von Breston & Partners so schnell wie möglich aus meinen Gedanken vertreiben, möchte meine Vergangenheit mit dem befreienden Gefühl, in eine andere Gegend zu ziehen, in die Umzugskiste packen, weg mit dem Alten, her mit dem Neuen, und dennoch … Mein Körper ist in dieser Bar, während mein Geist umherirrt und nur ehemalige Kollegen sieht, zukünftigen Überschuss. Gleichzeitig sieht er aber auch, wie der Bildschirm von Mister Todd von einem Hacker lahmgelegt wird und der geniale Virenverbreiter, dieser Beschützer von uns Opfern der Fantasielosigkeit, neue Tränen gleich an der Quelle
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