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Im Bann des blauen Feuers

Im Bann des blauen Feuers

Titel: Im Bann des blauen Feuers
Autoren: DANA KILBORNE
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kennt dieses Gefühl, als würde es heiß in einem brodeln. Wie bei einem Vulkan, der kurz vor der Eruption steht. So ungefähr erging es Céleste, wenn sie ihren Emotionen freien Lauf ließ – mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ein Vulkanausbruch in ihrem Fall ungefähr die Heftigkeit einer Kernschmelze besaß.
    Woher sie das so genau wusste, vermochte sie nicht zu erklären. Sie spürte einfach, dass sie es niemals zulassen durfte, die Kontrolle zu verlieren. Da war etwas in ihr, das ihr selbst Angst einjagte. Etwas Dunkles, das, wenn es einmal entfesselt wurde, nicht so leicht wieder zu bändigen war. Nur ein einziges Mal – ein paar Tage vor ihrem vierzehnten Geburtstag – hatte sie wirklich kurz davor gestanden, das Monster von der Kette zu lassen. Damals hatte Tante Marie im Streit ihren goldenen Ring – das Einzige, was Céleste von ihrer Mutter, an die sie sich kaum erinnern konnte, geblieben war – weggenommen und in den Mülleimer geworfen. Dabei waren einige böse Worte gefallen, die Céleste so in Rage versetzten, dass sie beinahe die Kontrolle verloren hätte.
    Es war ein wenig so gewesen wie in dieser US-Serie aus den Siebzigern, die im Kabelfernsehen ständig wiederholt wurde: The Incredible Hulk . Darin ging es um einen von radioaktiver Strahlung geschädigten Wissenschaftler, der sich im Zustand von Angst oder Wut in ein riesiges, grünes Monstrum mit Superkräften verwandelte. In diesem Moment mit Tante Marie hatte Céleste sich genau so gefühlt: als würde jeden Moment etwas Gewaltiges, Furchterregendes von ihr Besitz ergreifen. Und sie spürte instinktiv, dass dieses Etwas sich nicht mehr zurückdrängen lassen würde, wenn es erst einmal an die Oberfläche gekommen war.
    Das hatte ihr Angst gemacht. So viel Angst, dass sie seit jenem Tag einer direkten Konfrontation – ganz gleich, mit wem – lieber aus dem Weg ging. Was nicht immer ganz einfach war. Denn manchmal legte es Tante Marie wirklich darauf an, sie zur Weißglut zu treiben.
    Sie versuchte, möglichst nicht darüber nachzudenken, was damals beinahe geschehen war. Doch es gab Nächte, in denen sie wach lag und darüber nachgrübelte, was wohl mit ihr nicht stimmte. Als sie siebzehn war, hatte sie sogar einmal vor der Tür zum Büro des Schulpsychologen gestanden, um ihn um Rat zu bitten, es sich im letzten Moment aber anders überlegt. Solange sie die Wahrheit nicht kannte, konnte sie immer noch versuchen, die Augen davor zu verschließen. Und dabei hatte sie es bisher belassen.
    Als sie in die Straße einbog, in der sich die Haltestelle befand, näherte der Bus sich bereits aus der anderen Richtung. Sie musste rennen, um ihn noch zu erwischen. Drinnen setzte sie sich auf einen Fensterplatz in der hintersten Reihe und sah zu, wie die Stadt durch die Geschwindigkeit des Busses an der Scheibe vorbeizog.
    Sie verließen den tristen Vorort Lisses und näherten sich dem Herzen von Paris. Céleste liebte diese Stadt. Liebte all den Glanz, den Pomp und die goldenen Lichter, die die Nacht zum Tag machten. Und sie war stolz, an der weltberühmten Pariser Universität, der Sorbonne, Chemie zu studieren. Ihr großes Vorbild war die große Wissenschaftlerin und Nobelpreisträgerin Marie Curie, die sich trotz aller widrigen Umstände in einer damals rein von Männern dominierten Welt durchgesetzt hatte.
    Genau das wollte sie auch erreichen, wenn auch in kleinerem Rahmen. Céleste würde es all jenen Zweiflern und Schwarzsehern beweisen, die nicht an sie glaubten. Allen voran ihrer Tante und ihrem Onkel, die nie auch nur einen Finger gerührt hatten, um sie zu unterstützen.
    Eines Tages würde sie es ihnen allen zeigen.
    Es war Freitagabend, und Paris war so überlaufen wie an jedem Wochenende. Hier begegnete man den verschiedensten Leuten – Studenten der Uni, Einheimischen, vor allem aber ausländischen Touristen. Um diesen ein paar Euros ihres Urlaubsgelds aus der Tasche zu ziehen, scharten sich regelrecht am Straßenrand Künstler (echte und solche, die nur vorgaben, welche zu sein), die entweder ihre Bilder zum Verkauf anboten oder die Passanten für ein schnelles Porträt anzulocken versuchten.
    Das Lapin Jaune lag in einer kleinen Seitenstraße, was nicht bedeutete, dass es nicht ebenfalls vollkommen überlaufen war. Das in quietschbunten Farben gestrichene und mit bunt zusammengewürfelten Möbeln ausgestattete Lokal sollte laut Aussage von Félix – dem Inhaber – karibisches Flair ausstrahlen. Auf Céleste
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