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Im Bann der Wasserfee

Im Bann der Wasserfee

Titel: Im Bann der Wasserfee
Autoren: Sharon Morgan
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zerknitterten Pergament verschlossen, das den an der Küste starken, noch immer kühlen Frühlingswind abhalten sollte.
    Der Wirt hob die Hände wie zur Kapitulation. »Ich meinte ja nur. Man hat es nicht einfach als Betreiber einer Herberge.«
    »Für den zerstörten Windschutz am Fenster komme ich natürlich auf«, sagte Ragnar, »schließlich ist mir etwas hindurchgefallen.«
    »Hindurchgefallen, ja gewiss, Herr.« Der Wirt nickte eifrig.
    »Ruft einen Heiler!« Ragnar beugte sich über den Verletzten. Der Mann war hochgewachsen und schlank. Sein schulterlanges schwarzes Haar war von Schweiß verklebt. Blut schoss aus seiner Nase.
    »Nein, bloß keinen Heiler!«, sagte der Verletzte. Seine Augen waren auffallend dunkel.
    »Wie Ihr wollt.« Ragnar hob die Schultern.
    Als er ihm aufhalf, bemerkte er das für Geißelwunden typische Netz v-förmiger kleiner Schnitte auf dessen Rücken.
    Ragnar wandte sich an den Wirt, der noch immer wie erstarrt nahe der Treppe stand. »Lasst einen kühlen, feuchten Lappen, einen trockenen Lappen und einen Verband für seinen Rücken bringen! Beeilt Euch!«
    »Gewiss, Herr.« Der Wirt hastete die schmale Treppe hinunter.
    »Danke!« Die Stimme des Verletzten war leise und rau vor Erschöpfung.
    »Keine Ursache. Ihr solltet nur von hier verschwinden, bevor die Männer wieder erwachen.«
    Sein Gegenüber nickte kaum merklich, was ihm Schmerzen zu bereiten schien.
    Schritte erklangen auf der Treppe. Eine kleine dunkelhaarige Dienstmagd in einem einfachen, römisch anmutenden Gewand kam mit Tüchern und einer Schüssel näher. Ihr Kleidersaum schleifte im Staub auf dem Boden des schmalen Flures. Die Frau erbleichte, als sie den Verletzten und die beiden Bewusstlosen erblickte. Hastig reichte sie Ragnar die Tücher und den Verband und lief sogleich zurück durch den Flur und die Treppe wieder hinunter.
    Ragnar beugte sich über den Verletzten. »Neigt den Kopf nach vorne.« Er gab ihm eines der Tücher, das der Mann an seine Nase presste, um die Blutung zu stoppen.
    Kaum kam der Mann seinen Worten nach, legte Ragnar das kühle Tuch in dessen Nacken. Der Mann stöhnte leise.
    »Wie kann ich Euch danken?«, fragte er, als Ragnar den Verband anbrachte.
    »Indem Ihr Euch wascht und anzieht.« Ragnar half ihm beim Aufstehen.
    Einer der Bewusstlosen stöhnte. Er würde bald erwachen.
    »Das war beeindruckend. So was habe ich noch nie gesehen«, sagte der Gerettete.
    »Dann wart Ihr nie in meiner Heimat. Dort ist das alltäglich.«
    Der Mann lächelte. Aus seiner Nase schoss mittlerweile kein Blut mehr. »Das muss eine interessante Gegend sein.«
    »Das ist sie. Ihr solltet einen Heiler aufsuchen«, sagte Ragnar.
    »Später.«
    »Dann verschwindet wenigstens von hier, bevor die wieder aufwachen.« Ragnar ging zurück in sein Schlafzimmer. Zu seinem Verdruss folgte der Mann ihm.
    Das Flackerlicht der Öllampe erzeugte tanzende Schatten auf den Wänden und der spärlichen Möblierung, die aus einem winzigen Tisch, einem Schemel, einem Schrank und einem lectus cubicularis , dem Schlafbett, bestand. Auch hier waren die Wände von Rissen durchzogen.
    Ragnar wandte sich um und sah den Mann an. Er war sehr schlank, doch beinahe so groß wie er selbst. Seine Augen wirkten schwarz im zuckenden Licht der Öllampe.
    »Ihr habt mein Leben gerettet. Ich bin Euch etwas schuldig.«
    »Ihr schuldet mir gar nichts, außer Ruhe.« Ragnar berührte seine pochenden Schläfen mit den Fingerspitzen.
    »Mein Name ist Dylan, Herr.«
    »Warum wollten die Euch töten?«
    »Ich war bei ihrer Schwester im Zimmer.«
    Ragnar hob eine Augenbraue. »Gegen deren Willen?«
    Dylan schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Sie hat mich hereingelassen. Dann war sie nackt und wollte baden, doch ich nicht, denn es wäre mir nicht gut bekommen. So stieg sie ohne mich in den Zuber. Dann sagte sie, was man zusammen im Badewasser alles treiben könnte, und bespritzte mich. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und wurde zum Tier, woraufhin sie schrie und dann ...«
    Ragnar hob beschwichtigend die Hände. »Erspart mir die Einzelheiten.«
    »Ich stehe in lebenslanger Schuld zu Euch. Die hätten mich beinahe umgebracht.«
    Ragnar bedachte ihn mit seinem blutrünstigsten Blick. »Noch ist es nicht zu spät zum Sterben.«
    »Schon gut, schon gut.« Endlich zog sich der Mann zurück. Es war besser, den Irren gleich loszuwerden und vor Morgengrauen zu verschwinden. Für sein Vorhaben konnte Ragnar keine Zeugen gebrauchen. Es genügte, wenn er
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