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Im Bann der Engel

Im Bann der Engel

Titel: Im Bann der Engel
Autoren: C Gref
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den übrigen auf der Karte.
    Elena ließ den Eingangsbereich hinter sich und betrat die Halle. Die Luft wurde schlagartig schwül und die von den zahlreichen Maschinen erzeugten Dampfschwaden erschwerten das Atmen. Elena steuerte die rückwärtige Wand an. Die Tür dort diente lediglich der Tarnung und verbarg die Fahrgastkabine dahinter. Elena legte den Hebel zum Tiefgeschoss um. Gehorsam rumpelte der Aufzug seinem Ziel entgegen. Unten angekommen wurde sie bereits erwartet.
    »Da bist du ja endlich«, maulte Clara, ihre Assistentin und riss missbilligend die hervorquellenden Augen auf, die durch die dicken Brillengläser noch größer wirkten.
    »Entschuldige, ich habe verschlafen«, log Elena.
    »Es sind drei Neue reingekommen, die du dir zuerst ansehen sollst.«
    »Sagt wer?«
    »Der Boss.«
    Elena verdrehte die Augen und folgte Clara ins Labor. Während sie lief, zog sie sich ihren Kittel über, die Henkel der Stofftasche zwischen die Zähne geklemmt. Hier unten im Labortrakt glich das Stampfen der Maschinen einem steten Herzschlag. Elena liebte es, denn es gab ihr das Gefühl, in einem lebendigen Organismus zu arbeiten. Als weniger angenehm empfand sie den dumpfen Fäulnisgeruch, der sich mit dem Duft der süßen Fladen aus ihrer Tasche vermischte. Sie beugte sich über den ersten Toten. Er lag auf dem Bauch. Aus seinem Rücken ragten scharfe Metallsplitter, gelbliche Flüssigkeit tropfte aus der Wunde. Schwarze Adern überzogen seinen gesamten Rücken. Die Hände waren zu Klauen gekrümmt, das Gesicht verzerrt.
    Clara reichte ihr das hölzerne Klemmbrett, auf dem die Begleitpapiere befestigt waren. Elena begann zu lesen und seufzte.
    »Er hat sich die Flügel ausgerissen und ist mit dem Kopf voran gegen die Wand gerannt?«
    Clara nickte.
    Wieder einer, den sie überschätzt hatten.

    Die Minuten dehnten sich zu einer Ewigkeit. Sophia stand nackt vor Marcellus. Der Windzug, der zum Fenster herein strich, ließ sie frösteln. Marcellus umkreiste sie wie ein hungriger Wolf, beäugte jeden Zoll ihrer Haut, roch sogar an ihr. Er fasste sie jedoch nicht an. Es kam Sophia vor, als suche er etwas. Und sie konnte nur raten was. Im Gegensatz zu den meisten Menschen, die sie kannte, trug sie kein Hautbild. Es lag nicht daran, dass sie sich keine hübsche Rose oder zarte Ranke für das Fußgelenk gewünscht hätte. Aber die Tätowierer in ihrem Viertel stachen mit Vorliebe Segelschiffe oder Seeungeheuer in derbe Haut und meist waren sie dabei betrunken.
    Sophia schützte sich vor der Kälte, indem sie die Arme vor ihren Brüsten kreuzte.
    »Wer hat dir erlaubt, dich zu bedecken?«, herrschte Marcellus sie an.
    Er strich mit den Fingerspitzen über Sophias Haut. Sie zitterte unter seiner Berührung.
    »Madame Hazard beweist Geschmack.« Marcellus blieb vor ihr stehen, trat dann einen Schritt zurück und stützte das Kinn in seine Handfläche. Sophia kam er wie ein Bildhauer vor, der seine Skulptur musterte. War sie das, sein Kunstwerk?
    »Gehen wir baden«, schlug er vor. Zum ersten Mal klang er wohlwollend.
    Sophia sehnte sich mit einem Mal nach der Wärme eines Bades, nach der sanften Berührung heißen Wassers. Sie nickte dankbar und ging Marcellus voran in das Badezimmer.
    Die Wanne war in den Boden eingelassen und besaß die Form eines Flügels. Jetzt, da Sophia die Vorlieben Madame Hazards kannte, ergaben viele Details der Hauseinrichtung einen Sinn. In einem Punkt hatte Sophia ihrer Herrin die Wahrheit verschwiegen: Einmal war sie doch abends fort gewesen. Der Küchenjunge, hatte sie mitgenommen, wohl in der Hoffnung, ihr imponieren zu können. Es war gründlich danebengegangen. Dem Küchenjungen wurde der Ausschank von Alkohol verweigert. Sophia musste schließlich an die Theke gehen und zwei Krüge Ale kaufen. Sie prosteten sich zu, leerten ihre Gläser in einem Zug und schwiegen sich unbehaglich an. Der Küchenjunge verabschiedete sich kurz darauf peinlich berührt. Sophia blieb. Sie kam nicht umhin, den Gesprächen im Pub zu lauschen, die sich fast sämtlich um Madame Hazard drehten.
    »Eine Hexe is sie, jawohl«, grölte ein dicker Mann in verschlissener Kleidung.
    »Würde zu gerne wissen, was sie da in ihrem Anwesen so treibt«, fügte ein anderer Gast hinzu, dem die Schiebermütze schief auf dem Kopf saß.
    »Der Pastor hat erzählt, sie käme ihm unheilig vor. Verflucht irgendwie.«
    »Ihr Mann is ja nich von ungefähr gestorben.«
    Die Bedienung, eine magere Frau um die Vierzig, raunte den Leuten an der
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