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Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)

Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)

Titel: Im Bann der Drudel (Auf der Suche nach dem magischen Buch) (German Edition)
Autoren: Kim Kestner
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zahlreiche Bücher und ungeöffnete Geburtstagsgeschenke der letzten Jahre in Kisten gepackt, denen der Botschafter, die Haushälterin und Timothy in einem abgedunkelten Mercedes nach Edinburgh bis in die Bruntsfield Street gefolgt waren. Dort wurden alsbald die Mauern des Vorgartens auf gut drei Meter erhöht und die Fenster vergittert.
    Als hätte Elsa Timothys trübsinnige Gedanken erraten, sagte sie: »Is'n Verbrechen, dich hier einzusperren, nur weil …« Ärgerlich winkte sie ab. »Jeder is doch anders, komisch, was? Wenn man alle wegsperren würde, die mal was sehn, was gar nich da is … na dann wärn die Straßen wohl leer. So'n büschen Spökenkiekerei schadet doch nich.«
    Timothy sah verlegen in ihr breites Gesicht, das von borstigen, grauen Haaren gerahmt wurde, und zögerte einen Augenblick. Dann aber fasste er sich ein Herz. »Ist kein Brief von Loo gekommen?«, fragte er mit schiefem Grinsen.
    »Ach Junge, ich wünschte, du hättst n echten Fruund«, antwortete sie kopfschüttelnd und reichte ihm ein flaches Päckchen, nicht größer als eine Postkarte. »Dat is von mi. Na los! Mach's schon auf.«
    »Wenn du ihn je gesehen hättest«, warf Timothy zaghaft ein, schluckte seine Worte bei Elsas mitleidigem Blick jedoch hinunter und löste stattdessen das aufgebügelte Papier.
    Zum Vorschein kam eine brüchige Pappe, die von einigen Klammern in einem Holzrahmen gehalten wurde.
    »Dreh mal um«, forderte Elsa aufgeregt. »Ich wette, du hast es noch nie gesehen. Hab's beim Auszug auf eurem Dachboden gefunden.«
    Als Timothy auf die Rückseite sah, setzte sein Herz für eine Sekunde aus. Er blickte in das jugendliche Gesicht seiner Mutter, die vor einer eigenartigen Ansammlung von Reagenzgläsern stand.
    »Da müsste sie in deinem Alter sein.«
    »Ich kann mich nicht an sie erinnern«, murmelte Timothy, der nur ein einziges Bild seiner Mutter besaß, das er wie ein Heiligtum in seiner Nachttischschublade hütete.
    »Die grauen Augen mit den komischen goldenen Flecken darin hast von ihr. Wie das Grübchen am Kinn, so viel is sicher. Weiß der Kuckuck, von wem diese schwarzen Zotteln sind.« Elsa lachte bei ihren letzten Worten und verstrubbelte Timothy die Haare. »Also, packen wir jetzt deine anderen Geschenke aus und schlagen uns den Bauch mit Kuchen voll?«
    »Klar doch«, antwortete Timothy mit gezwungenem Lächeln, stellte vorsichtig den Bilderrahmen auf seinen Nachttisch und holte tief Luft, um die Kerzen auszublasen.
    Doch dann geschah etwas, bei dem Elsa, hätte sie es sehen können, mit Sicherheit einer Ohnmacht nahe gewesen wäre: Ein riesenhafter Mann trat unversehens mitten durch die an die Wand gestapelten Umzugskartons und blieb direkt hinter der Haushälterin stehen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte diese und folgte unsicher Timothys entsetztem Blick, augenscheinlich ohne den Riesen wahrzunehmen.
    Ganz im Gegensatz zu Timothy, dem sogar der Gestank von saurer Erde in die Nase stieg, den das Ungetüm verströmte. Nie war ihm ein solch beängstigendes Trugbild erschienen. Weit über zwei Meter hoch, die mächtigen Muskeln zum Zerreißen gespannt, bot er einen grauenvollen Anblick.
    Gerade deswegen zwang sich Timothy zur Ruhe und beugte sich zu dem Tablett, die Augen stur auf den Riesen gerichtet, der bis auf seine ungewöhnliche Erscheinung nichts von einer Illusion hatte.
    »Alles in Ordnung«, bejahte Timothy Elsas Frage.
    Die Haushälterin atmete erleichtert aus. »Na, dann – puste mal die Kerzen aus! Sonst ruiniert uns das Wachs noch den Kuchen!«
    »Mach, was sie sagt!«, knurrte der Hüne unter seinem derben Schlapphut, den er tief ins Gesicht gezogen trug.
    Langsam blies Timothy Kerze für Kerze aus und versuchte nicht zu zittern, während Elsa sich suchend umsah.
    »Verflixt noch mal! Jetzt hab ich doch glatt das Messer zum Anschneiden vergessen«, stieß sie verärgert aus. »Na ja, wat man nich im Kopp hat, dat hat man inne Beene.«
    Timothy dankte dem Himmel dafür.
    »Ich komme mit!«, rief er und maß die Entfernung bis zur Tür. Er könnte es in einem Satz schaffen.
    Dem Riesen musste der gleiche Gedanke gekommen sein, seine tellergroße Hand drückte Timothy mit Nachdruck auf das Bett, kaum dass Elsa sich umgedreht hatte. Der Junge starrte auf das oberschenkeldicke Handgelenk, um das sich ein metallbeschlagener Reif schlang.
    »Vielleicht warte ich doch«, kiekste er und blickte Elsa verzweifelt hinterher. Noch war die Tür offen …
    »Bleib sitzen!«, befahl der Riese, und ließ
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