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Im Auge des Tribuns: Ein Kriminalroman der etwas anderen Art... (German Edition)

Im Auge des Tribuns: Ein Kriminalroman der etwas anderen Art... (German Edition)

Titel: Im Auge des Tribuns: Ein Kriminalroman der etwas anderen Art... (German Edition)
Autoren: Per Matthias Griebler
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zu Papier oder vielmehr zu Pappe gebrachte Gekritzel irgendwie zu entschlüsseln.
    „Hieronymus 1 “, half der Fremde. „Carsten Hieronymus Engels, Hundefriseur, indischer Rosenverkäufer nicht indischer Herkunft, Privatdetektiv für Familienangelegenheiten und amtierende Junior-Vize-Europameisterin im Eiskunstlauf in der Mopsklasse über 110 Kilogramm …“
    „Ärr, gib mir Kraft …“ Zähneknirschend beknetete der Priester seinen Rosenkranz zwischen den Händen. Noch mehr von solch hochtrabendem geistigen Dünnschiss, und es überkam ihn vielleicht doch noch. Sein Großvater war schließlich nicht umsonst Schlachter in Lyon gewesen.
    „Und?“ Der Blick des Fremden schweifte über die ihn immer noch recht entsetzt anstarrende Trauergesellschaft.
    „Wer ist der Eingepackte?“
    „Der Verschtorbönä …“, schnaufte der Priester. Was für eine Frage. Als ob den Suffkopf das wirklich interessieren würde.
    „Jacque, Jacque Depuis“, antwortete er dann dennoch.
    „Nicht schlecht …“
    „Wie meinön?“
    „Die Tochter …“ Engels knuffte ihm in die Seite und schenkte der ganz in schwarz gekleideten Frau Mitte zwanzig, welche ein Stück abseits der restlichen Trauernden stand, sein charmant-lüsternes Lächeln – sprich, sein Zorro-Gedenk-Bärtchen formte ein kleines Burgtor und die Zunge schlackerte wie eine rostige Zugbrücke dazwischen freudig hin und her. „Bei der würde ich auch mal gerne Pfahlschnitzen spielen, wenn Sie verstehen …“ Er durchwühlte seine Jackentasche.
    „Das, das ist die Efrau“, seufzte der Priester, dabei den vermutlich gequältesten Blick seit David in der Löwengrube aufgesetzt. Dieser Deutsche war wirklich ein hoffnungsloser Fall.
    „Wenn Sie das ier suchän, Monsieur …“, mit Schwung drückte er ihm einen kleinen silbernen Flachmann in die Hand –
mindestens 60 Volt
stand darauf in Schreibschrift eingraviert, „aben Sie gerad fallön gelassön.“
    „Das Eheweibchen, ja?“ Engels nickte schmachtend und öffnete den Schraubverschluss. „Das heißt, jetzt ist sie ja mehr oder weniger frei, richtig?“ Er knuffte dem Priester kumpelhaft in die Seite. „Also, nur mal so unter uns Männern – noch nicht daran gedacht, dass sie sich gleich ihr Kleidchen über den Kopf streift und kräftig deine Kobra würgt …?“
    „Ko-ko-bra?“, stotterte der Priester kreidebleich. „Würgän?“
    „Ach ja …“ Engels nickte bemitleidend. „Kuttenträger, ich vergaß.“ Er seufzte. „Aber ich war mal in einer ähnlichen Situation – damals, im protestantischen Knabenchor… Hier“, er kramte ein kleines Bildchen hervor, „meine Cousine“, erklärte er dazu, „wenn also deine kleine Blindschleiche doch mal wieder anfängt zu zucken – bei mir hat’s geholfen …“
    „Ihre Cousine?“ Leicht angewidert drehte der Priester das klebrig vergilbte Foto auf die Rückseite. Sah eher aus wie – und wirklich, eine 0900er-Nummer, notiert mit einem breiten nichtfettenden Lippenstift in Erdbeerrot. Er atmete tief durch.
    „Verschwindön Sie jetzt bessör …“, knirschte er, sich gerade noch so zurückhaltend, zwischen den Zähnen hervor.
    „Wundervoll …“ Spöttisch schmachtend himmelte Engels ihn an. „Hat ihnen eigentlich schon mal jemand gesagt, dass Sie einen ganz reizenden Akzent haben?“ Liebevoll knetete er dem leicht hyperventilierenden Mann Gottes bei diesen Worten mit der matschverschmierten Linken über die Schulter.
    „Und jetzt – weitermachen, alter Mann!“, befahl er ihm dann plötzlich mit preußisch militärischem Unterton und war Sekunden später und zur Freude aller hinter dem matt seidenen Vorhang des erneut einsetzenden Nebels endlich wieder verschwunden.
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    1 Aus dem Griechischen; hierós für
heilig
und ónyma, ónoma für
Name
.

Chemnitz, Bundesrepublik Deutschland, knapp 19 Jahre später.
    Vorsichtig und äußerst darauf bedacht, kein unnötiges Geräusch zu erzeugen, stellte Diehl den mitgeführten Koffer vor sich auf den Boden und ließ seinen Blick langsam über die vor ihm liegenden Dächer wandern.
    Entfernte Motorengeräusche, begleitet von immerwährend lautem Hupen und Stimmengewirr, drangen zu ihm hinauf – Feierabendverkehr. Doch die Hektik, die sich etwa 100 Meter unterhalb von ihm abspielte, vermochte es nicht, ihn jetzt in diesem Augenblick zu beeinflussen. Zu schön war das, was er gerade sah.
    Die Sonne stand mit ihren letzten Strahlen auf der Nordostwand der alten Plattenbaussiedlung und tauchte die dort wie
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