Im Auge der Sonne: Roman (German Edition)

begeistert gewesen und hatte für ihre Aufbewahrung den Bau eines geheimen Gewölbes angeordnet. Als Hatschepsut dann Shalaaman daran erinnert hatte, dass diese Schätze rechtmäßig ihr gehörten, war Shalaamans Antwort höflich, aber diplomatisch ausweichend ausgefallen – ein Dialog, der sich nach Davids Ansicht noch jahrelang hinziehen konnte. Ihm persönlich hatte Shalaaman jedenfalls versichert, dass der Schatz für alle Zeiten Ugarit gehöre.
    Vielleicht würde ja eines Tages auch das von El Shadai versprochene Buch, was immer das sein mochte, diesen uralten Schätzen hinzugefügt werden.
    Unter einem mächtigen Rebstock blieb David stehen und zog Leah an sich. Sie lächelte ihn an. Wie sehr sie diesen starken, tapferen und klugen Mann liebte! An David geschmiegt, warf sie einen Blick über die weißen Mauern der Villa hinaus. Da lag die Straße in der Sonne. Und dann sog sie den Atem ein. Eine Gestalt kam die Straße entlang, die ihr seltsam vertraut erschien – ein breitschultriger Mann in knielanger Tunika und Umhang mit einem langen Holzstock und auf dem Rücken einen Sack.
    »Vater!«, rief sie ungläubig aus.
    David fuhr herum. »Bei Shubat! Tatsächlich! Elias!«
    Jetzt hörten auch die anderen seinen Ausruf. Alle sprangen auf, riefen durcheinander, rannten ihm entgegen, begrüßten ihn so stürmisch, dass Elias beinahe stolperte. »Die Götter sind groß!«, rief er aus. »Sie haben mich zu meiner Familie zurückgebracht.«
    Nur Avigail zögerte mit ihrem Jubel. »Mein Sohn, du bist doch nicht etwa weggelaufen?«, fragte sie erschrocken. Entlaufene Sklaven wurden, wenn man sie wieder einfing, sofort hingerichtet.
    »Der Mann, der mich gekauft hat, ist ein anständiger Kerl«, sagte Elias. »Als ich für ihn farblosen Wein herstellte und seine Freunde sich darum rissen, ihm alles abzukaufen, bat er mich, ihm das Geheimnis der Herstellung zu verraten. Ich erklärte mich dazu bereit, wenn er mir dafür meine Freiheit zurückgeben würde.« Er wies eine Tafel vor. »Hier ist der Beweis für meine Freilassung.«
    Schüchtern näherten sich jetzt auch die beiden Knaben. »Das ist dein Sohn Aaron und das ist Baruch, dein Enkel«, stellte Avigail die beiden vor.
    Elias sank auf die Knie. Weinend umarmte er die Kinder.
    Als die Familie nacheinander und immer wieder ihren heimgekehrten geliebten Elias – den Vater, Großvater, Ehemann, Sohn – herzte und küsste, musste Leah daran denken, wie ihre perfekte Welt vor sieben Jahren durch Ziras unselige Bemerkungen aus den Fugen geraten war: Sie hatten bei Hannah vorzeitig Wehen ausgelöst, was Leah zum Ungehorsam veranlasst hatte, woraufhin Jotham wütend geworden war und seinen Rachefeldzug begonnen hatte. Sogar dass David nach Ugarit gekommen war, ging auf jenen schicksalhaften Abend zurück.
    Vielleicht war doch nicht alles Ziras Worten zuzuschreiben, überlegte Leah jetzt. Eigentlich war sie selbst es gewesen, die diese Ketten von Ereignissen ausgelöst hatte. Durch einen kleinen Ungehorsam. Hätte sie gehorcht, als ihr Vater sie dazu aufgefordert hatte, anstatt aus der Halle zu stürmen, wäre nichts von dem, was darauf folgte, geschehen. Sie hätte Jotham geheiratet. David wäre nie nach Ugarit gekommen. Pharao Thutmosis hätte Ugarit angegriffen und in Schutt und Asche gelegt, weil sie und David Ägyptens König niemals kennengelernt und dann auch nicht die Stadt und die Bewohner von Ugarit gerettet hätten.
    Sie wusste, dass ihr seltsamer, vom Glück begünstigter Weg noch nicht zu Ende war. Auf Geheiß von Hatschepsut, sagte sie sich, hat mir Reshef, der Oberste Arzt am Hofe des Pharaos, die Rezeptur für eine medizinische Augenspülung gegeben, mit der man Blindheit abwenden kann, zusammen mit der Zauberformel, die mit dieser Behandlung einhergeht. Ich werde weiterhin derartige Rezepturen für Heilbehandlungen sammeln, überall danach forschen und sie dann in Davids neuer Schrift auf Ton festhalten, damit sie für kommende Generationen aufbewahrt werden können. Und weil das Bild der Schlange, die sich um einen geflügelten Stab ringelt, das Symbol von Ningishzida war, dem sumerischen Gott der Medizin, werde ich dieses Symbol auf meine Rezepte prägen, um zu verdeutlichen, dass auf den Tafeln die Antworten für Gesundheit und langes Leben stehen.
    Außerdem
, nahm sie sich vor,
werde ich ein Exemplar dieses Symbols aus Ebenholz anfertigen lassen und es dem Obersten Arzt Reshef zum Dank für sein Geschenk schicken.
    Beim Gedanken an den ägyptischen