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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
Autoren: Lucy Christopher
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fragen, warum du mich angesprochen hattest … und ob wir uns von irgendwoher kannten. Ich wollte wissen, woher dein Interesse an mir kam. Ich war schließlich nicht blöd, jeder konnte sehen, dass ich viel jünger war als du. Aber ich habe dich nicht gefragt. Ich war wohl zu nervös, außerdem wollte ich nichts Fragwürdiges, Fieses an dir entdecken. Mit dem schönsten Mann weit und breit hier zu sitzen und an einem Kaffee, den er mir gekauft hatte, zu nippen, gab mir wohl das Gefühl erwachsen zu sein. Wer weiß, vielleicht hieltest du mich für älter, als ich war, obwohl ich von Lipgloss abgesehen nicht geschminkt war. Oder vielleicht warst du in Wirklichkeit jünger, als du aussahst. Während du kurz aus dem Fenster schautest, ließ ich mir die Haarsträhne, die ich hinters Ohr gesteckt hatte, nach vorne ins Gesicht fallen und biss mir auf die Lippen, damit sie röter aussahen.
    »Ich war noch nie in Vietnam«, sagtest du schließlich.
    »Ich auch nicht. Amerika würde mich mehr interessieren.«
    »Echt? Diese ganzen Städte dort, und überall so viele Menschen …?«
    Deine Finger zuckten, als du mich anschautest, und dein Blick streifte die Haarsträhne, die ich gerade nach vorne geholt hatte. Kurz darauf hast du dich über den Tisch gebeugt und sie mir wieder hinters Ohr gesteckt. Dann hast du gezögert.
    »Entschuldige, ich …« Du bist ein bisschen rot geworden. Deine Finger blieben länger als nötig an meiner Schläfe liegen. Mein Ohr wurde ganz heiß von der Berührung. Dann bewegten sich deine Finger zu meinem Kinn. Du hast es mit dem Daumen etwas angehoben, um mich besser anschauen zu können, als wolltest du meine Züge in dem Kunstlicht über meinem Kopf genau studieren. Und, na ja, du hast mich wirklich richtig angeschaut … deine Augen waren wie zwei Sterne. So hast du mich gefangen, mich festgesetzt hier im Flughafen von Bangkok, wie ein kleines Tier, das vom Licht angelockt wird. Und tatsächlich flatterten Flügel in meinem Innern. Große, dicke Nachtfalterflügel. Es war leicht, mich einzufangen, mich zu dir zu ziehen. Ich war dir schon ins Netz gegangen.
    »Möchtest du nicht lieber nach Australien?«, sagtest du.
    Ich lachte kurz auf, weil deine Frage so ernsthaft klang. Da zogst du deine Finger weg.
    »Klar.« Ich zuckte atemlos mit den Schultern. »Da will doch jeder hin.«
    Daraufhin wurdest du still und hast den Blick gesenkt. Ich schüttelte den Kopf und spürte noch immer deine Berührung. Ich wollte, dass du weitersprichst.
    »Bist du Australier?«
    Dein Akzent war verwirrend. Du hörtest dich nicht so an wie die Schauspieler in Neighbours , dieser australischen Soap. Manchmal klangst du einfach britisch. Dann wieder, als kämst du überhaupt nirgendwoher. Ich wartete auf deine Antwort, aber es kam keine. Darum lehnte ich mich vor und schubste dich leicht am Unterarm.
    »Ty?«, sagte ich und probierte deinen Namen aus. Sein Klang gefiel mir. »Wie ist es da überhaupt, in Australien?«
    Da lächeltest du und mit diesem Lächeln veränderte sich dein ganzes Gesicht. Es begann zu leuchten, als ginge in deinem Innern die Sonne auf.
    »Das wirst du bald sehen«, sagtest du.
     
     
    Da veränderte sich auf einmal etwas. Ich wurde langsamer und alles um mich herum bewegte sich schneller. Verrückt, was so eine winzige Menge Pulver alles bewirken kann.
    »Wie geht’s dir?«, fragtest du.
    Mit weit geöffneten Augen sahst du mich genau an. Ich machte den Mund auf, um zu sagen, dass alles in Ordnung wäre mit mir, aber ich begriff nicht, was herauskam. Es war ein einziger Brei von Lauten; meine Zunge schien zu dick und zu schwer, um Worte zu bilden. Ich erinnere mich, dass die Lichter sich in ein gleißendes Feuer verwandelten, das ich nur noch verschwommen wahrnahm. Ich erinnere mich, wie die Luft aus der Klimaanlage meine Arme kalt werden ließ. Wie sich der Eukalyptusduft mit dem Geruch von Kaffee vermischte. Deine Hand schloss sich eng um meine, als du mich packtest.
    Ich muss deinen Kaffeebecher umgestoßen haben, als ich taumelnd aufstand, denn später entdeckte ich eine verbrannte Stelle an meinem Bein, einen Flecken roter Haut oberhalb vom linken Knie. Die Stelle ist immer noch zu sehen. Mittlerweile ist sie ein bisschen runzlig geworden, wie Elefantenhaut.
    Du hast mich dazu gebracht, schnell zu gehen. Ich bildete mir ein, du wolltest mich zurück zu meinem Abfluggate führen, wo meine Eltern auf mich warteten. Es war ein weiter Weg, viel weiter, als ich ihn in Erinnerung
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