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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein!
Autoren: Tina J.
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hatte ich kaum Kontakt, ich könnte heute nicht einmal mehr 3 Namen von Mädchen aus meiner Klasse aufzählen, ich weiß sie nicht mehr. Ich durfte doch nur in die Schule, aber nach der Schule sofort nach Hause und nicht mehr raus. Da hat man keine Freundin. Na ja, ich war sowieso lieber allein, da brauchte ich mich nicht zu verstellen und so zu sein, wie die Anderen, obwohl ich gerne so gewesen wäre – lustig, albern, frech, eben einfach normal drauf.
    Aber so hat mir die Schule eben Spaß gemacht und ich war gerne in der Schule. Ich war froh, dass es diesen Lehrer in meinem Leben gab.

    Ich glaube auch, er wusste, was los war. Viele Jahre später traf ich ihn mal in der Stadt. Er freute sich und ich habe mich auch sehr gefreut, ihn wiederzusehen. Er war etwas Besonderes in meinem Leben und er hat versucht, mir zu helfen. Als wir uns damals zufällig in der Stadt getroffen haben, sagte er: „Ich hätte dir so gerne geholfen, aber was hätte ich denn tun können, du hast ja nie etwas gesagt.“ Ich habe sofort gewusst, er meinte nicht die Ausflüge oder Veranstaltungen, er meinte das Andere. Das worüber ich geschwiegen habe, weil ich mich so geschämt habe und gedacht habe, ich bin selber schuld und ich bin schlecht und muss mich verstellen und verstecken.
    Er wollte mir gerne helfen, hat gespürt, was los ist, doch ich habe geschwiegen und er konnte mir nicht helfen. Ihm standen tatsächlich die Tränen in den Augen und ich hätte auch fast los geheult. Damals war ich 26 oder 27 Jahre alt und habe auch wieder nichts gesagt. Was hätte ich auch sagen sollen, es war zu spät und hätte nichts geändert. Es war aber ein wunderbares Gefühl, dass es da jemanden gegeben hatte, der mir helfen wollte. Ich habe ihn später nie wieder gesehen, aber ich werde ihn nie vergessen. Er war ein guter Mensch, er war nicht blind, wie alle sonst um mich herum.
    Na ja, vielleicht ist das verkehrt, wenn ich das so sage. Ich habe ja selbst alles dafür getan, dass mir keiner etwas anmerkt oder ansieht – ich habe mich ganz normal verhalten, stand immer neben mir und habe auf alles, auf jede Bewegung, jedes Wort, jede Reaktion von mir aufgepasst. Ich glaube, in der Hinsicht war ich wohl sehr gut – wer nicht sehen wollte, konnte nicht sehen, was los war. Mir habe ich damit nicht geholfen- aber das kapiere ich erst heute. Denen habe ich geholfen, die mir das Leben zur Hölle gemacht haben. Ich hätte reden müssen, schreien müssen, um mich schlagen müssen – ich habe mich nicht getraut, weil ich ja die ganze Zeit dachte, ich sei selbst Schuld daran, dass so viele das mit mir tun.

    Wenn ich versuchte, mich an meine Kindheit zu erinnern, dann war da nicht viel da. Ich wusste einfach fast gar nichts mehr – es kamen nach und nach einzelne Erinnerungsfetzen und ich konnte und kann sie manchmal nicht richtig zeitlich einordnen. Wie war ich, als ich noch zu Hause bei meiner richtigen Mutti und meinen Brüdern war? Was habe ich gern getan, wen mochte ich? Wer mochte mich?
    Ich weiß, meine Brüder und ich, wir haben uns oft gestritten – es war so, als könnten drei nicht miteinander spielen, sondern nur zwei. Denn einer war immer übrig. Aber es war dann auch bald so, dass mein großer Bruder mit seinen Kumpeln loszog und mein kleiner Bruder auch viel mit seinen Freunden unterwegs war. Ich meine auf dem Spielplatz vor dem Haus und dem Gelände ringsherum. Ich war nur auf dem Spielplatz und vor dem Haus, denn ich durfte nie weit weg, falls Opa kam. Da sollte ich nämlich immer zu Hause sein, zur Verfügung sein.
    Manchmal kam auch Vati zwischendurch von Arbeit und ich musste dann zu Hause sein. Die Jungen konnten machen, was sie wollten, ich musste immer am Haus bleiben. Meine Oma kam nie zu uns nach Hause, ich kann mich jedenfalls nicht an ein einziges Mal erinnern, dass sie bei uns in der Wohnung war. Ist schon komisch oder? Omas sind doch sonst immer da - jedenfalls in anderen Familien. Zu uns kam immer nur Opa, Wenn wir mal zu Oma gegangen sind, wir alle drei, dann sind wir immer in die Bäckerei, in der sie gearbeitet hat und dort bekamen wir vom Chef immer eine Tüte mit Kuchenrändern, die wir uns teilen sollten. Daran kann ich mich noch erinnern und auch daran, dass meine Oma immer sagen musste, ich solle nicht so viel Kuchenränder essen, weil ich doch schon so fett sei.
    Meine Brüder brauchten dann auch nicht so richtig mit mir zu teilen, weil ich ja so schon zu fett war. Ich hatte immer das Gefühl, meine Oma kann mich
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