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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein!
Autoren: Tina J.
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habe. Ich weiß noch, später hat er mit der Freundin meines kleinen Bruders geschlafen und die zwei auseinander gebracht. Mein goldener Ring, den ich zur Jugendweihe geschenkt bekam und meine Armbanduhr sind verschwunden und ich sah das Beides bei der Geliebten (ehemaligen Freundin meines Bruders) wieder. Wie mag sie wohl zu meinem Schmuck gekommen sein? Bei uns war sie nie zu Hause und ich nie bei ihr – aber mein „geliebter Vater.“ Ich habe nichts dazu gesagt, was sollte ich auch sagen, es wäre sowieso sinnlos gewesen. Er hätte nur gelacht und gesagt, ich würde spinnen.
    Eigentlich wollte ich von meiner Stiefmutter erzählen. Sie war ja nicht schlecht, aber sie war auch nie, wie eine Mutti zu mir. Sie war eben damals die Frau zu der ich ab sofort Mutti zu sagen hatte und die mir meine Sachen, die mir meine Mutti selber genäht hatte, weggenommen hatte und vor meinen Augen zerrissen hat.
    Ich wollte nie dort sein, es hat mich keiner gefragt. Aber von zu Hause habe ich auch nichts mehr gehört – es hat mich keiner vermisst – ich war eben nur einfach weg dort. Es gab mich nicht mehr und hier wollte ich auch nicht sein – es war nicht besser, es hat mir hier auch keiner geholfen.
    Ich war allein, ganz allein – ohne meine Mutti, ohne Hoffnung. Da war zwar meine Stiefmutter, aber sie hat mir nicht geholfen. Sie hat mir zwar beigebracht, was ein Mädchen im Haushalt und als anständiges Mädchen zu tun hat. Aber sie war eine Fremde. Warum hat sie mich nie in der Klinik besucht? Nicht einmal, als ich so lange dort war. Es war nur 1 Stunde mit dem Bus zu fahren und es war nicht teuer mit dem Bus zu fahren. Ich war eben nicht zu Hause und sie musste selber putzen, sonst hat wahrscheinlich nichts gefehlt.
    Meine Sehnsucht, wie alle aus meiner Klasse zu sein, eine Klassenfahrt mitmachen zu dürfen oder bei einer Feier oder bei irgendetwas dabeisein zu dürfen war groß und ich habe oft gebettelt, doch nie wurde mir etwas erlaubt. Nie habe ich so etwas erleben dürfen. Ich war ja auch ein schlechtes Mädchen, man musste auf mich aufpassen, weil ich mit jedem rummachen würde, wie mein Vater immer sagte. Deswegen wurde ich isoliert. Konnte nie mit jemand einfach mal so herum blödeln oder Quatsch machen und albern sein. Eine Freundin kann man so auch nicht haben, wenn man nie irgendwohin mitgehen darf. Ich war allein und sollte allein sein.
    Ist schon klar, heute kapiere ich auch, warum.

      Wer allein ist, kann nichts erzählen. Darum ging es. Ich hätte ja merken können, dass es woanders nicht so ist, wie bei uns zu Hause und das wollten sie wohl nicht. Vielleicht war ja meine Stiefmutter auch wirklich davon überzeugt, wie schlecht ich bin und dass man auf mich besonders aufpassen muss. Aber warum nur dann, wenn ich aus dem Haus gewesen bin? Sonst, wenn die Kneipengänger mitkamen, wurde doch auch nicht aufgepasst, da konnte sie doch in aller Seelenruhe ins Bett gehen und brauchte mich nicht zu bewachen.

    In der Schule hatte ich ab der 8. Klasse einen Klassenlehrer, der kam einige Male zu uns nach Hause und sprach mit meinem Vater, damit ich mal an einer Klassenfahrt oder einer Feier teilnehmen durfte. Es nutzte nichts – ich durfte nicht.
    Mein Vater war halt konsequent. Meinem Klassenlehrer hat es Leid getan, dass es so war und er mir nicht helfen konnte. Er war ein guter Familienvater, 5 Kinder – eine richtig glückliche Familie war das. Und vor allem er war ein Super-Lehrer!
    Als wir ihn in der 8. Klasse als Klassenlehrer bekamen, da fing es an, mir Spaß zu machen, in die Schule zu gehen. Ich freute mich auf jede Stunde, die wir bei ihm Unterricht hatten, ich bekam endlich mal ein Lob, für eine richtige Antwort und ich hatte nicht das Gefühl, ich muss aufpassen – er war okay. Innerhalb von 2 Jahren veränderte sich mein Leistungsdurchschnitt von 3, 4 auf 1, 2 Leistungsdurchschnitt auf dem Zeugnis. Ich habe für ihn gelernt, damit er sich freut, mich lobt und er hat sich immer gefreut, wenn ich eine gute Arbeit geschrieben habe. Es hat alles Spaß gemacht, es hat Spaß gemacht, zu lernen.
    Lernen wurde das Einzige, was ich gerne machte und, was mir Spaß machte – es war auch das Einzige, was ich hatte.
    Wenn das jetzt jemand liest, der denkt vielleicht, ich habe mich in unseren Klassenlehrer verknallt. Aber das ist totaler Quatsch. Es war nur eben so, dass ich endlich jemand hatte, der mich gut leiden konnte und nichts von mir wollte, obwohl er erwachsen war.
    Mit Mädchen aus meiner Klasse
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