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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein!
Autoren: Tina J.
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wagen noch ein Wort gegen ihn zu sagen.
    Das ist die große Kunst dieser Schweine, sie machen uns schlecht – wir fühlen uns dann so - und sie haben gewonnen und können ihr dreckiges Spiel weiter mit uns spielen. Wir haben nie gelernt, uns zu wehren, nicht einmal mit Worten, aber das ist zu lernen und ich möchte auch das einmal schaffen, meinem Vater sagen, was ich von ihm halte. Es war gut, dass ich damals durch Jürgens Hilfe da weggekommen bin. Ob ich es jemals allein geschafft hätte, weiß ich nicht, wahrscheinlich nur, indem ich mich umgebracht hätte.
    Meiner Stiefmutter gegenüber habe ich heute noch ein schlechtes Gewissen, weil auch sie mir vorgeworfen hat, ich sei undankbar und ich hätte mein zu Hause als asozial beschrieben. Ich habe das nie getan -heute weiß ich, ich hätte es beruhigt tun können – aber ich habe es nicht getan. Ich habe geschwiegen. Und, was ich „beschissen“ finde, ich fühle mich immer noch schuldig ihr gegenüber. Jetzt, wo ich zurückdenke, ist sie schuldig, nicht ich. Aber das in meinem Kopf klar kriegen, funktioniert noch nicht. Logisch schon – aber mein Gefühl macht mich immer noch schuldig und ich fühle mich Ihr gegenüber undankbar. Ich wünschte, ich könnte einfach sagen, was mein Vater getan hat, was los war. Ich habe Angst, sie glaubt mir nicht und beschimpft mich auch noch. Ich war ja kein kleines Kind mehr damals. Ich war wirklich kein kleines Kind mehr, ich war 13 und zuletzt 23 Jahre alt. Ich selbst habe ja auch immer gedacht, ich bin selbst schuld, weil ich mich nicht wehre, weil ich es immer wieder geschehen lasse. Diese Angst und diese Gedanken lassen mich besser Schweigen.
    Meine eigene Mutter sagt mir heute noch: „Meine Kleine, warum hast du denn nur nichts gesagt?“ Das macht uns mundtot, das gibt uns die Schuld – aber das ist nicht gerecht! Muss ich mir Vorwürfe machen, dass ich gegenüber meiner Stiefmutter undankbar bin? Ist sie nicht ruhig ins Bett gegangen und hat gewusst, dass mein Vater mich geweckt hat und ich jetzt die Saufkerle bedienen muss? War das richtig? Ich war damals 13 Jahre und sie hätte mir helfen können oder nicht?
    Und trotzdem habe ich dieses verdammt schlechte Gewissen ihr gegenüber – ich versuche mir selbst ständig klar zu machen, dass ich das nicht haben muss – aber es ist da, dieses Gefühl, undankbar gewesen zu sein.
    Sie war es doch, die mir alles Hauswirtschaftliche beigebracht hat. Ich habe es damals gehasst, zu putzen, zu kochen – das stimmt. Wer will schon mit 13 Jahren immer allein das ganze Haus putzen. Ich musste es tun und dann ging sie von Zimmer zu Zimmer und kontrollierte, ob etwas nicht richtig sauber war oder unordentlich bzw. nicht gründlich genug saubergemacht war. Gefunden hat sie immer etwas und gemeckert, Sie war doch die Hausfrau und es war ihre Arbeit – gut, helfen hätte ich können, aber sie hat mich alles machen lassen und nur gemeckert, kaum mal ein Lob. Es hätte mehr Spaß gemacht, wenn ich mal etwas Positives gehört hätte. Aber sie konnte nur meckern.
    Meine Wäsche musste ich auch selbst waschen und flicken, wenn etwas kaputt war. Kochen hat sie mir gelernt, häkeln, stricken, sticken und nähen. Ja, sie hat mir schon viel beigebracht und ich bin ihr dafür dankbar und deswegen fühle ich mich immer noch so schuldig ihr gegenüber, als wäre ich wirklich undankbar gewesen, weil sie mich für undankbar hält.
    Aber was wusste sie schon – sie wusste nichts und weiß bis heute nicht, was wirklich los war. Ich wäre so gerne mal ins Kino oder mit einer Schulfreundin in die Disco gegangen oder einfach mal mit zu einer Freundin nach Hause oder hätte sie zu uns nach Hause eingeladen. Aber ich musste ja Angst haben, mal jemanden mitzubringen, weil mein Vater jede Frau oder jedes Mädchen angemacht hat wie ein blöder, verliebter Gockel. Er war der Größte. Der King und alle anderen nur Nullen. Wenn er in der Kneipe das restliche Geld in den Raum schmiss, dann haben die sich wirklich danach gebückt und gedrängelt. Erwachsene Männer und alle haben verdient und waren nicht auf diese Geschmacklosigkeit angewiesen. Er fand sich riesig dabei und hat es immer genossen, nur seine Tochter, die kein Taschengeld bekam und brav in der Kneipe neben ihm hocken musste, die durfte sich nicht nach einer Mark bücken. Er hätte mich verprügelt auf dem Heimweg, wenn er es mitbekommen hätte, dass ich einmal den Fuß auf ein Geldstück gestellt habe und es später unauffällig aufgehoben
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