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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr
Autoren: Kim Schneyder
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von Susi
geborgt habe, und meine Handtasche und stelze auf das Gebäude zu. Was auf dem
losen Kies gar nicht so leicht ist mit diesen Sandaletten. Ich höre mich ein
bisschen fluchen. Irgendwie gelingt es mir, die Treppe zu erreichen, doch als
ich mich dem Eingangsportal nähere, bekomme ich gleich wieder weiche Knie. Von
Nahem wirkt das Gebäude gleich noch imposanter, und es kommt mir vor, als würde
es mit jedem meiner Schritte wachsen.
    Ein riesiges Foyer empfängt mich, mit viel blank poliertem Marmor,
Messing und Glas. Ich verharre kurz, um mich zu orientieren, dann entdecke ich
eine Informationstafel, auf die ich zusteuere.
    Eine stattliche Anzahl von Namen ist da aufgelistet und ziemlich
weit oben der Vermerk: Dr. Stefan Baumann, Verlegerische
Geschäftsführung, zweiter Stock .
    Im zweiten Stockwerk verweist mich eine weitere Informationstafel
nach rechts auf einen weitläufigen Gang. Das Kribbeln in meinem Bauch wird
stärker, und ich atme ein paar Mal tief durch, bevor ich mich auf den Weg
mache. Ich erreiche eine Glastür, drücke sie schwungvoll auf – und sehe mich
einer Dame mittleren Alters mit Hornbrille gegenüber, die mich von ihrem
Schreibtisch aus verwundert anguckt.
    Â»Ja bitte, Sie wünschen?«, fragt sie in einem Tonfall, der auch
freundlicher sein könnte.
    Ich mache tapfer ein paar Schritte auf sie zu. Auf ihrem
Schreibtisch steht ein Namensschild: Fr. Kränzlein .
Passt irgendwie zu ihr, finde ich.
    So selbstsicher wie möglich sage ich: »Guten Tag, ich bin Sandra
Wilding, und ich … äh … möchte zu Herrn Dr. Baumann.« Mist, warum klingt meine
Stimme plötzlich so hoch?
    Sie runzelt die Stirn. »Wilding? Haben Sie einen Termin?«
    Einen Termin? Nein, habe ich nicht. Braucht man den, um ein
Manuskript vorbeizubringen? Ich meine, er hat doch geschrieben, dass er»mehr sehen« will, und dass er … ja, genau, dass er»mehr zu meiner Person erfahren« will. Was liegt dann
näher, als gleich mal selbst vorbeizuschauen?
    Ich räuspere mich. »Ich denke, er erwartet mich«, sage ich vage.
    Frau Kränzlein zieht kritisch die Augenbrauen hoch. »Er erwartet
sie?« Sie wirft wieder einen Blick auf den Terminkalender, und ich hole schon
Luft, um mich näher zu erklären, als sich ihre Miene plötzlich aufhellt. »Ah,
ich sehe schon«, sagt sie und tippt mit dem Finger auf eine Notiz. Dann blickt
sie wieder zu mir auf, und ihre Augen scannen mich von oben bis unten. »Sie
sind früh dran«, stellt sie fest.
    Früh dran? Ja, so könnte man es nennen. Ich habe den Brief heute
Mittag erhalten, und dass ich nur wenige Stunden später samt dem vollständigen
Buch hier auf dem Parkett stehe, das ist zweifellos früh, um bei ihren Worten
zu bleiben.
    Â»Ã„h, ja, ich komme am liebsten schnell zur Sache, wenn Sie wissen,
was ich meine«, erwidere ich und zwinkere ihr freundlich zu.
    Dieser Akt der kameradschaftlichen Annäherung beeindruckt Frau
Kränzlein kein bisschen. »Das hatte ich mir schon gedacht«, sagt sie völlig
ohne Humor. »Wenn Sie dann bitte Platz nehmen?« Sie weist mit der Hand auf eine
Sitzgruppe hinter mir. »Herr Dr. Baumann wird Sie gleich empfangen.«
    Was hat die denn für ein Problem? Ein bisschen mehr Freundlichkeit
hätte ich schon erwartet als angehende Starautorin.
    Andererseits, was kümmert es mich? Immerhin gibt es auf ihrem
Terminkalender eine Eintragung für mich. Das bedeutet, dass Dr. Baumann sie
informiert hat, dass er mich erwartet und dass sie mich jederzeit zu ihm
vorlassen muss, oder so was in der Art.
    Und das ist doch ein gutes Zeichen, oder?
    Während ich noch überlege, wie man als Schriftstellerin am besten
sitzt, drückt Frau Kränzlein auf eine Taste an ihrer Telefonanlage. »Frau
Wilding wäre jetzt hier, Herr Dr. Baumann«, sagt sie in das Mikro. Sekunden
später höre ich eine undeutliche Männerstimme, und Frau Kränzlein wiederholt:
»Genau, Frau Wilding.« Dann wieder die Stimme, und wieder Frau Kränzlein: »Ja,
das dachte ich mir auch schon.«
    Dann sieht sie zu mir herüber. »Herr Dr. Baumann hat gleich Zeit für
Sie. Kann ich Ihnen in der Zwischenzeit etwas anbieten? Kaffee, Tee, einen
Orangensaft?«
    Einen doppelten Wodka, hätte ich am liebsten gesagt. Je näher der
Zeitpunkt rückt, an dem ich Dr. Baumann gegenübertreten
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