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Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten
Autoren: B Lyga
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Vater ihm befohlen hatte: die Trophäen eingesammelt, damit sie aus dem Haus geschmuggelt werden konnten, bevor die Polizei alles durchsuchte.
    Es war eigentlich keine schwere Aufgabe– Billy nahm keine großen oder komplizierten Trophäen. Hier einen iPod, dort einen Lippenstift. Die Trophäen waren wohlgeordnet und leicht zu transportieren. Trotzdem war G. William aufgetaucht, bevor Jazz fertig war. Und Jazz wusste wirklich nicht, ob er die Befehle seines Vaters bis zum Ende ausgeführt hätte. Er hatte in seiner gesamten Kindheit jeden Befehl seines Vaters befolgt, aber als Billy Dent immer sprunghafter geworden war– was in den zwei Leichen in Lobo’s Nod gipfelte–, hatte Jazz angefangen, die Ketten abzuschütteln, in die ihn sein Vater gelegt hatte.
    Und so war er mit allen Trophäen außer einer in einem großen Rucksack dagestanden und hatte auf diese letzte geblickt, den Führerschein von Heidi Dunlop, einem hübschen blonden Mädchen aus Baltimore. Und in diesem Augenblick war es Jazz vorgekommen, als wäre er zum ersten Mal in seinem Leben aufgewacht, als sei alles, was ihm widerfahren war, unwirklich gewesen und er nun im Begriff, seine erste und einzig echte Entscheidung zu treffen. Und während er noch überlegte, ob er die Trophäen verstecken sollte… oder weglaufen und sich selbst verstecken… oder sie aushändigen… hatte ihm das Schicksal in Gestalt von G. William die Entscheidung abgenommen. Der Sheriff war schwer atmend vor Anstrengung durch die Luke gekommen und hatte die wahrscheinlich größte verdammte Pistole im Universum auf den Dreizehnjährigen gerichtet.
    » Lassen Sie mich helfen«, sagte Jazz jetzt. » Lassen Sie mich nur in die Akte sehen. Vielleicht einen Blick auf die Leiche werfen.«
    » Ich mache das schon eine ganze Weile. Ich brauche deine Hilfe nicht. Und es ist ein bisschen früh, um › Serienmörder‹ zu krähen. Du überstürzt die Sache, Junge. Ein Serienmörder braucht mindestens drei Opfer. Über einen gewissen Zeitraum. Bei dem Kerl gibt es erst eins.«
    » Es könnte noch mehr geben.« Jazz ließ nicht locker. » Oder es wird noch mehr geben. Diese Typen steigern sich, das wissen Sie. Bei jedem Opfer wird es schlimmer. Und sie experimentieren. Die Finger abzuschneiden… Sie müssen alles aus deren Perspektive sehen.«
    Der Sheriff zuckte zusammen. » Das habe ich bei deinem Dad getan. Es hat mir damals nicht gefallen, und mir gefällt die Vorstellung auch jetzt nicht.«
    Die Suche nach Billy Dent hatte seinen Tribut von G. William gefordert, der noch um seine kurz zuvor verstorbene Frau getrauert hatte, als die erste Leiche in Lobo’s Nod auftauchte. Er hatte sich mit zwanghafter Inbrunst in die Aufgabe gestürzt, Billy Dent aufzuspüren und zu fassen, und auch wenn er Erfolg gehabt hatte, wäre seine geistige Gesundheit beinahe ein weiteres Opfer von Billy geworden. Jazz erinnerte sich an G. Williams Gesichtsausdruck, als der Sheriff durch die Luke in den Hobbyraum gekommen war und diese riesige Pistole auf ihn gerichtet hatte. Nach allem, was er in seinem Leben schon gesehen hatte– die Leichen, die Trophäen, was sein Vater mit dem armen Rusty gemacht hatte–, gab es nicht viel, was Jazz bis in den Schlaf verfolgen konnte, aber der Ausdruck im Gesicht des Sheriffs an jenem Tag war ein regelmäßiger Stargast in seinen Albträumen. Er hatte noch nie einen so verzweifelten und am Boden zerstörten Menschen gesehen; die Waffe war ruhig wie ein Fels geblieben, obwohl die Lippen des kräftigen Manns zitterten, als er im hohen Falsett eines Irren schrie: » Fallen lassen! Alles fallen lassen! Ich schwöre bei Gott, ich erschieße dich!« G. William Tanners Augen hatten zu viel gesehen; hätte jene Nacht nicht Billy Dents Karriere beendet, wäre G. William nach Jazz’ fester Überzeugung bis zum nächsten Morgen von eigener Hand aus dem Leben geschieden.
    Seither waren vier Jahre vergangen; G. William ging immer noch einmal im Monat zur Therapie.
    Jetzt strich sich G. William mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand über den Schnauzbart. Jazz stellte sich vor, wie er diesen Zeigefinger abschnitt. Es war nicht so, dass er G. William etwas antun wollte. Er wollte niemandem etwas antun. Es war nur so, dass er nicht aufhören konnte, daran zu denken. Manchmal kamen ihm seine Gedanken und Vorstellungen wie ein Slasher-Film im Schnellvorlauf vor. Und egal wie oft er den Ausschaltknopf drückte, der Film lief einfach immer weiter, ein endloser Ansturm von
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