Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich soll nicht töten

Ich soll nicht töten

Titel: Ich soll nicht töten
Autoren: B Lyga
Vom Netzwerk:
Jede Stunde kommt ein Wachmann vorbei.«
    Howie reckte den Hals und glotzte. » Hier ist es ganz anders als bei CSI .«
    » Was hast du erwartet?«
    » Wahrscheinlich habe ich CSI erwartet«, sagte Howie verstimmt. » Andererseits, warum sollte ich sagen…«
    Jazz zog ein Paar purpurne, gepuderte Latexhandschuhe aus einer Schachtel auf einem Metalltablett. Er warf sie Howie zu, der sie ungeschickt auffing. » Zieh die an. Fingerabdrücke.«
    » Ich hoffe, sie passen.«
    Er sah, wie Howie seine übergroßen Flossen in die Handschuhe zwängte, die aussahen, als würden sie gleich platzen. Howie war wie ein NBA -Spieler gebaut: schlaksig, schlenkernde Gliedmaßen, schmale Statur, Hände, die auf übernatürliche Weise zupacken konnten. Howies Bluterkrankheit ließ jedoch nicht zu, dass er jemals in einer Mannschaft Basketball spielen würde, nicht einmal in der Little League.
    Trotzdem liebte Howie das Spiel. Er beschäftigte sich wie besessen mit Ergebnissen und Tabellen. Jedes Jahr im März musste Jazz Howies endloses Geleier über die Mannschaften in den Play-offs über sich ergehen lassen. Aber das war es ihm wert– nicht viele Kids gaben sich bereitwillig mit » diesem Dent-Jungen« ab. Bevor man Billy verhaftet und als den » Künstler« entlarvt hatte– oder als den Gentle Killer, Satansauge, Handschuhhand oder Green Jack, wie einige weitere Spitznamen der Medien für ihn lauteten–, war Jazz ein ziemlich beliebter Junge gewesen. Dann kam die Festnahme, und von da an war er ein Paria.
    Nur nicht für Howie.
    Howie war zur Konstante in Jazz’ Leben geworden, zu dem Jungen, der ihm verlässlich Halt bot und verhinderte, dass er verrückt wurde, wenn das Leben ihn in einen Wahn à la Billy zu stürzen drohte. Als er vor einigen Monaten angefangen hatte, mit Connie zu gehen, war er ein wenig besorgt gewesen, er und Howie könnten sich vielleicht entfremden, aber wenn überhaupt war ihre Verbindung nur inniger geworden; es schien fast, als würde es Jazz zu einem besseren, stärkeren Freund machen, dass er etwas so verblüffend Normales tat, wie mit einem Mädchen zusammen zu sein.
    Das Geräusch, wie Howie mit seinen Handschuhen auf einem Tablett mit ärztlichen Instrumenten herumwühlte, holte ihn aus seinen Gedanken. » Lass das«, sagte Jazz.
    » Hey, ich trage Handschuhe«, erwiderte Howie und winkte, um seine Aussage zu unterstreichen.
    Jazz stülpte ihm eine Duschhaube über den Kopf. » Wir sind nicht hier, um mit ihrem Zeug herumzuspielen. Bleib bei der Aufgabe.« Er zog ebenfalls eine Haube über.
    » Bleib bei der Aufgabe«, äffte ihn Howie nach, aber er ließ die Instrumente in Ruhe und ging mit Jazz zu einer großen Stahltür mit einem erstaunlich modernen digitalen Schloss. Das Tastenfeld enthielt nicht nur die Ziffern von 0 bis 9, sondern auch noch die Buchstaben A bis F. Howie betrachtete es stirnrunzelnd. » Das wird nicht einfach«, sagte er. » Sehen Sie heute Abend in CSI Hintertupfing: Dent und Gersten in ihrem bisher schwersten Fall…«
    » Was wetten wir, dass ich diese Tür beim ersten Versuch aufkriege?«, sagte Jazz.
    Howie schürzte die Lippen und dachte nach. » Du zahlst beim nächsten Mal die Burger. Und wir essen bei Grasser.«
    Jazz schaute missmutig. Er hasste das Essen bei Grasser, einem örtlichen Hamburgerlokal, das den passenderen Spitznamen » Krasser« trug, aber Howie liebte den Laden mit einer Inbrunst, die ans Irrationale grenzte. » Also gut. Und was, wenn ich sie beim ersten Mal aufkriege?«
    Howie dachte nach. » Wir essen einen Monat lang nicht bei Grasser.«
    Das war die Sache wert. » Pass auf«, sagte Jazz und grinste. Er legte die Hand auf den Türknauf und drehte. Die Stahltür ging mit einem leisen Quietschen auf.
    » Ach, komm!«, protestierte Howie. » Das ist unfair! Sie war ja gar nicht verschlossen.«
    » Abgemacht ist abgemacht.« Sie schlüpften in einen kleinen Kühlraum, wo die Leichen aufbewahrt wurden, die auf Autopsie, Abholung oder Begräbnis warteten. Im Augenblick gab es eine einzige Leiche, die in einem neuen Leichensack verschlossen war– der am Tatort war leuchtend gelb gewesen, dieser hier war schwarz– und auf einer Rollbahre lag.
    » Ist das die Frau?«, flüsterte Howie und schauderte leicht.
    » Die Leiche«, korrigierte Jazz. » Sie hat vor einer Weile aufgehört, eine Frau zu sein.«
    In einem Aktenhalter an der Wand stand ein einsamer blassgrüner Ordner. Das Etikett auf dem Deckel lautete DOE , JANE (1), wobei die Ziffer angab,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher