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Ich hasse dich - verlass mich nicht

Ich hasse dich - verlass mich nicht

Titel: Ich hasse dich - verlass mich nicht
Autoren: J Kreisman
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Ablösung und Individuation beginnt das sich entwickelnde Kind, Grenzen zwischen sich selbst und anderen zu ziehen. Diese Aufgabe wird durch zwei zentrale Konflikte erschwert: durch das Verlangen nach Selbstständigkeit, das den Bedürfnissen nach Nähe und Abhängigkeit entgegensteht, und durch die Angst vor dem Verschlungenwerden, die der Angst, verlassen zu werden, gegenübersteht.
    Ein Faktor, der das Ganze in dieser Zeit noch weiter kompliziert, ist die Tatsache, dass das sich entwickelnde Kind jeden Menschen in seiner Umgebung als zwei getrennte Wesen wahrnimmt. Die Mutter wird beispielsweise als »gut« empfunden, wenn sie Trost spendet und Sensibilität zeigt. Wenn sie dagegen nicht erreichbar oder nicht in der Lage ist, Trost und Beruhigung zu gewähren, wird sie als separate, »schlechte« Mutter wahrgenommen. Wenn sie aus dem Blickfeld des Kindes verschwindet, glaubt es, sie sei aus der Welt, für immer verschwunden, und es weint, damit sie zurückkehrt und seine Verzweiflung und Panik erleichtert. In der weiteren Entwicklung des Kindes wird diese normale »Spaltung« durch eine gesündere Integration der guten und schlechten Eigenschaften der Mutter ersetzt. Die Trennungsangst wird abgelöst durch das Wissen, dass die Mutter auch dann existiert, wenn sie nicht körperlich anwesend ist, und dass sie zu gegebener Zeit zurückkommen wird. Dieses Phänomen wird als Objektkonstanz bezeichnet (siehe unten). Das sich entwickelnde Gehirn des Kindes hat bei diesen Meilensteinen der Entwicklung die Oberhand, was die normale Anpassung sabotieren kann.
    Mahler unterteilt die Phase der Ablösung und Individuation in vier sich überlappende Subphasen:
    Die Differenzierungsphase (5–8 Monate)
    In dieser Entwicklungsphase wird sich das Kind einer Welt bewusst, die getrennt von seiner Mutter besteht. Das »soziale Lächeln« entsteht – eine Reaktion auf die Umgebung, aber am meisten auf die Mutter gerichtet. Gegen Ende dieser Phase zeigt das Kind die Umkehrung derselben Reaktion – das »Fremdeln« –, das Erkennen fremder Menschen in seiner Umgebung.
    Wenn die Beziehung zur Mutter unterstützend und tröstlich ist, ist für die Reaktion auf Fremde hauptsächlich ein neugieriges Wundern bezeichnend. Wenn die Beziehung nicht unterstützend ist, herrscht eher Angst vor. Das Kind beginnt, positive und negative Emotionen anderen gegenüber zu unterscheiden, und verlässt sich dabei auf die Spaltung, um mit diesen widersprüchlichen Empfindungen zurechtzukommen.
    Die Übungsphase (8–16 Monate)
    Die Übungsphase ist gekennzeichnet durch die zunehmende Fähigkeit des Kindes, sich von seiner Mutter fortzubewegen, erst durch das Krabbeln und dann durch das Laufen. Diese kurzen Trennungen sind durch häufige Wiedervereinigungen gekennzeichnet, das Kind »meldet« sich, um »wieder aufzutanken«. Dieses Verhalten zeigt die Ambivalenz des Kindes gegenüber seiner sich entwickelnden Autonomie.
    Die Phase der Wiederannäherung (16–25 Monate)
    In dieser Phase taucht in der sich erweiternden Welt des Kindes die Erkenntnis auf, dass es eine Identität besitzt, die getrennt von den Menschen in seiner Umwelt besteht. Wiedervereinigungen mit der Mutter und das Bedürfnis nach ihrer Zustimmung führen zu der sich vertiefenden Erkenntnis, dass sie und andere getrennte, reale Wesen sind. Aber gerade in der Phase der Wiederannäherung stehen Mutter und Kind Konflikten gegenüber, die darüber entscheiden, ob das Kind in der Zukunft unter dem Borderline-Syndrom leiden wird.
    Die Rolle der Mutter in dieser Zeit besteht darin, das Kind zu Experimenten mit seiner Individuation zu ermutigen, aber gleichzeitig ein konstantes, unterstützendes Reservoir zum Wiederauftanken zu bieten. Das normale Zweijährige entwickelt eine starke Bindung an die Eltern, lernt aber auch, sich vorübergehend von ihnen zu trennen. Dabei zeigt es eher Trauer als Zorn oder Wutausbrüche. Wenn es mit den Eltern wiedervereint ist, ist das Kind wahrscheinlich glücklich, aber auch böse wegen der Trennung. Die Mutter hat Mitleid mit dem Kind und akzeptiert seinen Zorn ohne Vergeltung. Nach vielen Trennungen und Wiedervereinigungen entwickelt das Kind ein andauerndes Ichgefühl, Liebe und Vertrauen zu den Eltern und eine gesunde Ambivalenz anderen gegenüber.
    Die Mutter eines Kindes, das später unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden wird, reagiert auf ihr Kind in anderer Weise. Sie stößt das Kind entweder vorzeitig von sich und hält es von der
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