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Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg

Titel: Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
Autoren: Peter Messner
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Fußmarsch?
    Das Procedere vor dem Pilgerbüro ist weiterhin langatmig. Eigentlich ruft ja der Berg schon kurz hinter dem Pyrenäendorf und eine Unterkunft für die Nacht vor dem Start habe ich auch noch nicht. Trotzdem erklären die ehrenamtlichen Helfer im Pilgerbüro jedem Einzelnen ebenso ausführlich wie freundlich, was ihn am kommenden Tag erwartet: Zwei Wege zur Auswahl führen durch die Pyrenäen und über eine Grenze zum Zielort der ersten Etappe, Roncesvalles in Spanien. Weicheier und Schattenpinkler gehen durchs Tal oder fangen gar erst jenseits der Pyrenäen an.
    Für die Einheimischen ist es gar keine richtige Grenze, denn hüben wie drüben wohnen Basken. Sie gelten als raues, ungezähmtes Volk, das den Großkopferten in Madrid und Paris noch heute nur zu gern auf den Teller scheißt. Getrennt sind die Basken durch einen politischen Strich, den sich irgendwelche hoch qualifizierten Führungspersönlichkeiten vor Jahrhunderten auf die Landkarte gedacht haben. Katalonien und eben das Baskenland wurden zwischen französischen und spanischen Machthabern glatt entzweigeschnitten. Vergleichbar intelligente Volksvertreter haben dann vor ein paar Jahren alle europäischen Grenzkontrollen aufgehoben und zum Ausgleich eine gemeinsame Währung eingeführt. Während die nördlichen, französischen Katalanen die formale Trennung ihrer Volksgruppe bis heute mithartnäckiger Zweisprachigkeit und Paella auf der Speisekarte kontern, sind im rauen spanischen Baskenland unzählige Menschen einem grausamen Machtkampf zwischen Separatisten und Regierungstreuen zum Opfer gefallen. Natürlich am Ende sinnlos, wie bei jedem Krieg. Vielleicht hätte der eine oder andere Nationalist mal eine Denkpause auf dem Jakobsweg einlegen sollen, bevor er das nächste Mal abdrückt. Ob wir Pilger etwas vom Konflikt mitbekommen werden? Immerhin liegen 140 Kilometer durch die baskisch dominierten Regionen der spanischen Provinz Navarra vor uns. Gibt es womöglich Grenzkontrollen auf dem schmalen Pfad in 1400 Metern Höhe? Was zeige ich da vor, Pilgerausweis oder Reisepass?
    Ich bin endlich an der Reihe und erhalte meinen ersten Stempel. Seine Erklärungen über die Gefahren der bevorstehenden Pyrenäenüberquerung würge ich dem guten Mann von der Pilgerbetreuung ein bisschen ab. Erstens stehen hinter mir noch 20 Leute, und bei 15 Minuten pro Nase könnte das noch ein unerwünscht langer Abend werden. Und zweitens hat mir die Wettervorhersage verraten, dass morgen erstmal Sonne und schwüle Wärme zu erwarten sind. Ich werde natürlich nicht die bequemere Route an der Straße entlang wählen, sondern die 25 Kilometer durch die Berge. Dass gleich die erste Etappe des Camino Frances mit mehr als 1200 Höhenmetern über Pyrenäenpässe die mit Abstand körperlichanspruchsvollste Strecke des ganzen Weges parat hält, ist für die Untrainierten unter uns Neupilgern sicher kein echter Glücksfall. Die einzige Chance, zwischendurch ein Päuschen einzulegen, ist die fast nur mit Zelten ausgestattete Herberge Orrison nach den ersten acht steilen Kilometern. Wer hier nicht stoppt, geht unweigerlich weitere 13 Kilometer bergauf. Und dann vier wieder steil bergab - bis Roncesvalles eben. Das steht so in den Reiseführern, das weiß hoffentlich jeder, der hier losmarschiert.
    Zum ersten Mal für die nächsten Wochen muss ich mir nun noch eine Bleibe für die Nacht suchen. Eine Notwendigkeit, die förmlich zum wichtigsten Ritual werden soll. Und zur Glaubensfrage: Herberge oder Hostal, Schlafsaal oder Einzelzimmer, akustisches Gemeinschaftserlebnis oder Tiefschlaf. Will ich wirklich unter lauter wildfremden Leuten im Pennerlook übernachten?
    Ich entscheide mich heute für die erste Möglichkeit gleich neben der Pilgerschlange. Die ältliche, herumschleichende Pensionsbetreiberin erinnert mich spontan an einen Komodowaran und beginnt schon kurz nach meiner höflichen Frage nach einem Einzelzimmer mit der Befehlsausgabe für den potenziellen Gast. So weit ich ihr baskisches Südfranzösisch verstehe, ist die Frau ein harter Brocken, aber sie hat noch ein Zimmer frei.
    Wie ein Feldwebel weist sie mich in die Hausordnung ein. Die letzte Renovierung in ihremHaus ist schon ein Weilchen her, aber dank rigider Anweisungen wie „Schuhe ausziehen“, „Licht aus“, „Sparsam duschen“, und „Rucksack nicht an die Wand lehnen“ steht alles noch wie vor 75 Jahren. Einen Rasen, auf dem das Ballspielen verboten sein könnte, hat die Pension leider nicht.
    Meine
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