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Ich folge deinem Schatten

Ich folge deinem Schatten

Titel: Ich folge deinem Schatten
Autoren: Mary Higgins Clark
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diesen weißen Räumen mit den weißen Vorhängen, Läufern und Möbeln vor, als würde ich in einem Marshmallow leben. Es ist eine Sünde, Geld zu verschwenden, aber in diesem Fall glaube ich, dass es richtig ist.«
    Das Ergebnis war nicht nur eine neu gestaltete Wohnung, sondern auch eine enge Freundschaft zu Alexandra »Zan« Moreland. Zan betrachtete sie mittlerweile als ihre Ersatzfamilie und kam oft zu Besuch.
    »Hast du Zan gefragt, ob sie heute zum Abendessen zu uns kommt?«, fragte Willy gerade. »Ich meine, der Tag muss doch ganz schrecklich für sie sein.«
    »Ich habe sie gefragt«, erwiderte Alvirah. »Sie hatte schon zugesagt, dann aber noch einmal angerufen. Ihr Ex-Mann möchte den Abend mit ihr verbringen, sie meint, sie kann ihm nicht absagen.«
    »Verstehe. Möglicherweise können sie sich ja gegenseitig Trost spenden.«
    »Andererseits fällt es Zan oft schwer, Gefühle zuzulassen, besonders in der Öffentlichkeit. Manchmal wünschte ich mir, sie würde einfach drauflosweinen, wenn sie von Matthew spricht, aber das macht sie ja noch nicht einmal bei uns.«
    »Ich fürchte, es gibt viele Nächte, in denen sie sich in den Schlaf weint«, sagte Willy. »Und ich bezweifle, dass es ihr guttut, den Abend mit ihrem Ex-Mann zu verbringen. Sie hat einmal gesagt, Carpenter habe ihr nie verziehen, dass sie Matthew in die Obhut einer so jungen Babysitterin gegeben hat. Ich hoffe nur, dass er an Matthews Geburtstag nicht wieder darauf herumreitet.«
    »Er ist … oder war … Matthews Vater«, sagte Alvirah und fügte, mehr zu sich als zu Willy, hinzu: »Nach allem, was ich gelesen habe, übernimmt in so einem Fall einer der beiden Elternteile immer die Schuld, auch wenn er gar nichts dafür kann und eigentlich eine nachlässige Babysitterin dafür verantwortlich war. Aber die Schuldgefühle, Willy, die sind immer da, erst recht, wenn ein Kind verschwindet.
    Ich bete zu Gott, dass Ted Carpenter nicht zu viel trinkt und wieder auf Zan losgeht.«
    »Mal den Teufel nicht an die Wand«, beschwichtigte Willy sie.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Alvirah nachdenklich und griff zur zweiten Hälfte ihres getoasteten Bagels. »Aber, Willy, das kannst du nicht leugnen: Wenn ich spüre, dass Unheil ansteht, dann lässt es nie lange auf sich warten. Es mag sich unwahrscheinlich anhören, aber ich weiß, dass Zan in nächster Zeit etwas ganz Schreckliches zustoßen wird.«

4
    Edward »Ted« Carpenter nickte der Rezeptionistin wortlos zu, während er durch den Vorraum seines weitläufigen Büros im dreißigsten Stock an der West Forty-sixth Street schlenderte. Die Wände waren voll von ihm gewidmeten Fotos der prominenten Kunden, die er seit nunmehr fünfzehn Jahren betreute. Gewöhnlich bog er in den großen Büroraum ab, in dem seine zehn PR-Mitarbeiter tätig waren. Heute Morgen allerdings steuerte er geradewegs sein Privatbüro an.
    Er hatte seine Sekretärin Rita Moran ausdrücklich angewiesen, ihn nicht auf den Geburtstag seines Sohnes anzusprechen und ihn mit den Zeitungen zu verschonen. Als er sich ihrem Schreibtisch näherte, war Rita so sehr in die Lektüre eines Internet-Artikels vertieft, dass sie ihn noch nicht einmal bemerkte. Sie hatte ein Bild von Matthew auf ihrem Bildschirm aufgerufen. Erst als er hinter ihr stand, hörte sie ihn, blickte auf und lief rot an. Er beugte sich über ihre Schulter, griff sich die Maus und schaltete den Computer aus. Mit großen Schritten eilte er in sein Büro und legte den Mantel ab. Bevor er ihn aufhängte, ging er zu seinem Schreibtisch und betrachtete das gerahmte Bild seines Sohnes. Es war an dessen drittem Geburtstag aufgenommen worden. Schon damals hat er mir ähnlich gesehen, dachte sich Ted. Die gerade Stirn, die dunkelbraunen Augen … Er ist zweifellos mein Sohn. Ein paar Jahre noch, und er sieht genauso aus wie ich, dachte er und klappte wütend den Bilderrahmen flach auf den Schreibtisch. Dann ging er zum Schrank und hängte seinen Mantel auf. Wegen der Verabredung mit Zan im Four Seasons trug er statt seines üblichen Sportjacketts mit Freizeithose einen dunkelblauen Anzug.
    Beim Abendessen am Tag zuvor war seine wichtigste Klientin, der Rockstar Melissa Knight, fuchsteufelswild geworden, als sie erfuhr, dass er sie am heutigen Abend nicht zu irgendeiner Veranstaltung begleiten konnte. »Du hast ein Date mit deiner Ex?«, hatte sie ihm wütend an den Kopf geworfen.
    Er konnte es sich nicht leisten, Melissa zu verärgern. Ihre ersten drei Alben hatten sich jeweils
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