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Ich folge deinem Schatten

Ich folge deinem Schatten

Titel: Ich folge deinem Schatten
Autoren: Mary Higgins Clark
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ihm fühle sie sich sicher. Er war für sie zu einem Symbol geworden. Wenn sie aufstand und in ihrem Schlafzimmer war es fröstelnd kalt, musste sie nur den Morgenmantel anlegen, und ihr wurde warm. Von der Kälte zur Wärme, von der Leere zur Überfülle; der vermisste Matthew, der wiedergefundene Matthew; der Matthew, der wieder bei ihr zu Hause und in ihren Armen war. Matthew hatte sich immer sehr gern mit ihr in den weichen Stoff gekuschelt.
    Keine Versteckspiele mehr, dachte sie sich, blinzelte die Tränen weg, knotete den Gürtel fest und schlüpfte in ihre Flip-Flops. Hatte Matthew nur spielen wollen, als er aus dem Buggy geklettert war? Aber ein unbeaufsichtigtes Kleinkind hätte anderen doch auffallen müssen. Wie lang hatte es gedauert, bis jemand ihn an der Hand nahm und mit ihm verschwand?
    Es war ein außergewöhnlich heißer Junitag gewesen, im Park hatte es von Kindern nur so gewimmelt.
    Steigere dich nicht wieder hinein, ermahnte sich Zan, als sie durch den Flur in die Küche ging und sofort die Kaffeemaschine ansteuerte, deren Timer auf sieben Uhr eingestellt war. Die Kanne war bereits voll. Sie schenkte sich eine Tasse ein und holte aus dem Kühlschrank entrahmte Milch und den Obstsalat, den sie in einem nahe gelegenen Lebensmittelladen gekauft hatte. Dann stellte sie den Obstsalat wieder zurück. Nur Kaffee, dachte sie. Mehr will ich nicht. Ich weiß, ich sollte mehr essen, aber heute werde ich nicht damit anfangen.
    Beim Kaffee ging sie ihre Termine durch. Gleich nach der Ankunft im Büro stand das Treffen mit dem Architekten eines neuen tollen Apartmenthochhauses am Hudson River an, wo sie drei Musterwohnungen gestalten sollte; es wäre der entscheidende Durchbruch, sollte sie den Auftrag bekommen. Ihr wichtigster Konkurrent war ihr alter Arbeitgeber, Bartley Longe, der es ihr äußerst übel nahm, dass sie ihr eigenes Büro aufgemacht hatte.
    Du hast mir eine Menge beigebracht, dachte Zan, auf deinen Jähzorn aber kann ich gut und gern verzichten. Ganz zu schweigen von deiner üblen Anmache. Sie wollte jetzt nicht an den schrecklich peinlichen Tag denken, als sie in Longes Büro einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte.
    Sie nahm die Kaffeetasse mit ins Badezimmer, stellte sie auf den Toilettentisch und drehte die Dusche an. Das dampfende Wasser lockerte ein wenig ihre verspannten Muskeln, und nachdem sie sich Shampoo aufs Haar gegeben hatte, massierte sie es kräftig ein. Auch eine Möglichkeit, den Stress zu lindern, dachte sie verstimmt. Aber im Grunde gibt es für mich nur eine Möglichkeit, den Stress zu lindern.
    Denk nicht daran, ermahnte sie sich erneut.
    Als sie sich abrubbelte, fühlte sie sich schon etwas frischer. Energisch trocknete sie sich die Haare, dann, wieder im Morgenmantel, trug sie Mascara und Lipgloss auf, woraus ihr gesamtes Make-up bestand. Matthew hat Teds Augen, dachte sie, in diesem wunderbaren dunklen Braunton. Ich habe ihm immer dieses Lied vorgesungen, »Beautiful Brown Eyes«. Seine Haare waren damals noch blond gewesen, trotzdem hatte man schon ein paar Rottöne erkennen können. Vielleicht wird er auch so knallrot wie ich als Kind. Damals habe ich es gehasst. Ich würde aussehen wie Anne auf Green Gables, habe ich Mom gesagt, dürr wie eine Bohnenstange und geschlagen mit schrecklich karottenroten Haaren. Aber an ihm würde es entzückend aussehen.
    Ihre Mutter hatte ihr damals gesagt, keine Sorge, Anne hätte mit zunehmendem Alter ihren Körper schon ausgefüllt, und auch ihre Haare wären zu einem warmen, tiefen Kastanienbraun nachgedunkelt.
    Mom hat mich immer geneckt und mich Green Gables Annie genannt, dachte Zan. Auch daran wollte sie an diesem Tag nicht denken.
    Ted hatte darauf bestanden, dass sie am Abend mit ihm zum Essen ging, nur sie beide. »Melissa wird es sicherlich verstehen«, hatte er ihr am Telefon gesagt. »Ich möchte unseres Jungen gedenken, zusammen mit dir, dem einzigen Menschen, der weiß, wie ich mich an seinem Geburtstag fühle. Bitte, Zan.«
    Sie waren also um 19.30 Uhr im Four Seasons verabredet. Das einzige Problem, wenn man in der Battery Park City wohnte, waren die Staus von und zur Innenstadt, dachte Zan. Ich habe keine Lust, noch mal zurückzukommen, um mich umzuziehen, aber ich habe auch keine Lust, ein zweites Outfit mit ins Büro zu nehmen. Ich werde das schwarze Kostüm mit dem Pelzkragen anziehen. Das muss elegant genug für den Abend sein.
    Eine Viertelstunde später war sie unten auf der Straße; eine große, schlanke
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