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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich
Autoren: Harlan Coben
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Kapelle und verschwand genau in dem Moment aus dem Blickfeld, als die Flügeltür geöffnet wurde. Ich starrte auf die Lichtung. Es gab dort nichts zu sehen, außer, tja, eine Lichtung. Mit Bäumen dahinter. Die Hütten lagen hinter dem Hügel. Die Kapelle gehörte zu dem Künstler-Refugium, in dem Natalie wohnte. Meine Hütte lag im Schriftsteller-Refugium ein Stück die Straße hinab. Beide Refugien waren ehemalige Vermonter Farmen, auf denen nebenbei auch jetzt noch etwas ökologischer Landbau betrieben wurde.
    »Hallo, Jake.«
    Ich drehte mich zu der wohlbekannten Stimme um. Natalie stand keine drei Meter von mir entfernt. Schnell warf ich einen Blick auf ihre linke Hand. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, hob sie sie und präsentierte mir den Ehering.
    »Glückwunsch«, sagte ich. »Ich freu mich für dich.«
    Sie ging nicht auf meine Bemerkung ein. »Unfassbar, dass du gekommen bist.«
    Ich breitete die Arme aus. »Ich hatte gehört, dass fantastische Horsd’œuvres gereicht werden sollen. Die lasse ich mir nicht gern entgehen.«
    »Urkomisch.«
    Ich zuckte die Achseln, während mein Herz zu Staub zerfiel und vom Wind verweht wurde.
    »Alle haben gesagt, dass du dich niemals blicken lassen würdest«, sagte Natalie. »Aber ich wusste, dass du kommst.«
    »Ich liebe dich immer noch«, sagte ich.
    »Ich weiß.«
    »Und du liebst mich auch noch.«
    »Das tu ich nicht, Jake. Siehst du das hier?«
    Sie streckte mir den Finger ins Gesicht.
    »Schatz?« Todd und seine Gesichtsbehaarung kamen um die Ecke. Als er mich sah, runzelte er die Stirn. »Wer ist das?«
    Es war offensichtlich, dass er sehr genau Bescheid wusste.
    »Jake Fisher«, sagte ich. »Herzlichen Glückwunsch zur Vermählung.«
    »Woher kenne ich Sie?«
    Ich überließ es Natalie, diese Frage zu beantworten. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Jake hat uns im Refugium oft Modell gestanden. Wahrscheinlich hast du ihn auf dem einen oder anderen Bild gesehen.«
    Seine Stirn war noch immer gerunzelt. Natalie stellte sich vor ihn und sagte: »Ich möchte noch ein paar Worte mit Jake reden. Ich komme dann sofort nach.«
    Todd sah mich noch einmal an. Ich rührte mich nicht. Ich wich nicht zurück. Ich wandte den Blick nicht ab.
    Widerwillig sagte er: »Okay, aber mach nicht zu lang.«
    Er musterte mich noch mit einem strengen Blick, bevor er hinter der Kapelle verschwand. Natalie sah mich an. Ich deutete auf die Stelle, wo Todd gerade verschwunden war.
    »Scheint ein netter Kerl zu sein«, sagte ich.
    »Was willst du hier?«
    »Ich musste dir noch einmal sagen, dass ich dich liebe«, sagte ich. »Ich musste dir sagen, dass ich dich immer lieben werde.«
    »Es ist aus, Jake. Du wirst eine Andere finden. Du wirst darüber hinwegkommen.«
    Ich sagte nichts.
    »Jake?«
    »Ja?«
    Sie legte den Kopf schief. Sie wusste genau, welche Wirkung das auf mich hatte. »Versprich mir, dass du uns in Ruhe lässt.«
    Ich sah sie nur stumm an.
    »Versprich mir, dass du uns nicht folgst, nicht anrufst und nicht einmal eine E-Mail schickst.«
    Der Schmerz in meiner Brust nahm zu. Er wurde stechend und heiß.
    »Versprich es mir, Jake. Versprich mir, dass du uns in Ruhe lässt.«
    Sie sah mir in die Augen.
    »Okay«, sagte ich. »Versprochen.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte Natalie sich um und ging zurück zum Eingang der Kapelle und zu dem Mann, den sie gerade geheiratet hatte. Ich musste mich einen Moment sammeln und atmete tief durch. Ich versuchte, Zorn zu empfinden, das Ganze zu verstehen, alle Gedanken daran abzuschütteln, ich wollte ihr sagen, dass sie den größten Schaden davontrug. All das spielte ich in Gedanken durch. Schließlich versuchte ich, vernünftig mit der Situation umzugehen, obwohl ich wusste, dass das alles nur Teil einer Taktik war, die dazu diente, den Gedanken zu verdrängen, dass ich mein Leben lang untröstlich sein würde.
    Ich wartete so lange hinter der Kapelle, bis ich davon ausgehen konnte, dass alle verschwunden waren. Dann ging ich wieder nach vorne. Der kahlgeschorene Pfarrer stand auf der Treppe. Natalies Schwester Julie stand neben ihm. Sie legte mir eine Hand auf den Arm. »Alles in Ordnung?«
    »Alles bestens«, sagte ich.
    Der Pfarrer lächelte mir zu. »Ein wundervoller Tag für eine Hochzeit, finden Sie nicht auch?«
    Ich sah blinzelnd in die Sonne. »Da haben Sie wohl recht«, sagte ich, wandte mich ab und ging.
    Ich würde tun, was Natalie von mir verlangte. Ich würde sie in Ruhe lassen. Ich würde zwar jeden
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