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Ich bin Nummer Vier

Ich bin Nummer Vier

Titel: Ich bin Nummer Vier
Autoren: Lore Pittacus
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uns hierhergebracht. Daniel Jones verschwindet genau in diesem Augenblick. Ich zünde ein Streichholz an, lasse es fallen, das Häuflein brennt. Wieder wird eins meiner Leben ausgelöscht. Wie immer bleiben Henri und ich stehen und blicken ins Feuer. Tschüss, Daniel, war nett, dich zu kennen.
    Als das Feuer erlischt, blickt Henri mich an. »Wir müssen gehen.«
    »Ich weiß.«
    »Diese Inseln waren nie sicher. Es ist zu schwierig, schnell wegzukommen, zu fliehen. Es war dumm von uns, hierherzukommen.«
    Ich nicke. Er hat recht, ich weiß es. Aber es fällt mir immer noch schwer, zu gehen. Wir waren hergekommen, weil ich es mir gewünscht hatte; zum ersten Mal hatte Henri mich entscheiden lassen, wohin wir zogen. Neun Monate haben wir hier gelebt – die längste Zeit an einem Ort, seit wir Lorien verlassen haben. Die Sonne, die Wärme wird mir fehlen. Der Gecko, der mich jeden Morgen von der Wand aus beim Frühstück beobachtete. Obwohl es buchstäblich Millionen Geckos in Südflorida gibt, schwöre ich, dass dieser mir zur Schule folgte und überall zu sein schien, wo ich war. Ich werde die Gewitter vermissen, die aus dem Nichts kommen, die Stille in den frühen Morgenstunden, bevor die Seeschwalben fliegen. Die Delphine,die manchmal zum Fressen in Strandnähe kommen, wenn die Sonne untergeht. Sogar der Schwefelgeruch von den modernden Seealgen unten am Ufer, wie er ins Haus kriecht und nachts in unsere Träume dringt.
    »Werde deinen Sellerie los, ich warte im Truck«, sagt Henri. »Es wird Zeit.«
    In einem Baumdickicht rechts vom Truck warten schon drei Key-West-Rehe. Ich leere die Sellerietüte vor ihren Hufen aus, krieche vorsichtig an sie heran und streichle eins nach dem anderen. Das erlauben sie mir, sie sind längst nicht mehr so ängstlich. Eins hebt den Kopf und sieht mich mit seinen dunklen, glänzenden Augen an. Es ist fast, als würde sein Blick mich durchdringen, ein Schauder läuft mir über den Rücken. Dann senkt es den Kopf und frisst weiter.
    »Macht’s gut, ihr kleinen Freunde«, verabschiede ich mich, dann gehe ich zum Wagen und klettere auf den Beifahrersitz.
    Wir beobachten in den Seitenspiegeln, wie das Haus kleiner wird, bis Henri auf die Hauptstraße biegt und es ganz aus unserem Blickfeld verschwindet. Es ist Samstag. Wie wohl die Party ohne mich weitergegangen ist? Was erzählen sie sich über die Art, wie ich verschwunden bin, was werden sie am Montag sagen, wenn ich nicht in die Schule komme? Ich wollte, ich hätte mich verabschiedet. Ich werde keinen, den ich hier gekannt habe, je wiedersehen, nie wieder mit einem von ihnen sprechen. Und sie werden nie erfahren, wer ich bin und warum ich gegangen bin. Nach ein paar Monaten, vielleicht schon nach ein paar Wochen wird vermutlich keiner mehr an mich denken.
    Bevor wir zum Highway kommen, hält Henri zum Tanken. Ich blättere inzwischen in dem Atlas, den er neben dem Sitz aufbewahrt. Den Atlas haben wir seit unserer Ankunft auf diesem Planeten. Darin sind Linien zu und von jedem Ort gezogen, an dem wir gelebt haben. Inzwischen kreuzen die Linien durchdie gesamten Vereinigten Staaten. Wir wissen, dass wir den Atlas loswerden sollten, aber er ist wirklich der einzige Nachweis unseres gemeinsamen Lebens. Normale Menschen haben Fotos, Videos, Tagebücher – wir haben den Atlas. Jetzt sehe ich, dass Henri eine neue Linie von Florida nach Ohio gezogen hat. Bis jetzt haben wir in einundzwanzig Staaten gewohnt, aber noch nie in Ohio. Wenn ich es mir vorstelle, denke ich an Kühe, Mais und nette Leute. Auf dem Autonummerschild von Ohio steht: Was sein soll, weiß ich nicht, aber wahrscheinlich werde ich es herausbekommen.
    Henri kommt zurück. Er hat zwei Flaschen Limonade und eine Tüte Chips gekauft. Jetzt fährt er los, dem Highway One entgegen, der uns nach Norden bringt. Er greift nach dem Atlas.
    »Glaubst du, es gibt Menschen in Ohio?«
    Er lacht. »Ein paar wahrscheinlich schon. Und vielleicht haben wir Glück und entdecken dort sogar Autos und einen Fernseher.«
    Ich nicke. Vielleicht wird es nicht so schlimm, wie ich glaube. »Was hältst du von dem Namen John Smith?«
    »Willst du so heißen?«
    »Ich glaube schon.« Ich war noch nie ein John oder ein Smith.
    »Einen weiter verbreiteten Namen gibt es kaum. Ich würde sagen: Nett, Sie kennenzulernen, Mr. Smith.«
    Ich lache. »Ja, ich glaube, John Smith gefällt mir.«
    »Wenn wir halten, mache ich deine Dokumente fertig.«
    Nach einer Meile sind wir von der Insel runter und
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