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Ich bin Nummer Vier

Ich bin Nummer Vier

Titel: Ich bin Nummer Vier
Autoren: Lore Pittacus
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zurück – außer dem lorienischen Kasten, den Henri bei jedem Umzug mitnahm. Bei allen einundzwanzig Umzügen bis heute.
    Die dritte Narbe kam vor einer Stunde. Ich saß gerade in einem Pontonboot, das den Eltern des beliebtesten Jungen meiner Schule gehörte; er feierte darauf eine Party, von der sie nichts wussten. Noch nie zuvor war ich zu den Partys meiner Mitschüler eingeladen worden. Ich war immer für mich geblieben, weil ich wusste, dass wir jede Minute abreisen könnten. Aber zwei Jahre lang war es ruhig gewesen. Henri hatte in den Nachrichten nichts gefunden, was die Mogadori hätte zu einem von uns führen oder auf uns aufmerksam machen können. Also hatte ich mir ein paar Freunde gesucht. Und einer von ihnen machte mich mit dem Typ bekannt, der die Party organisierte. Alle trafen sich auf einem Dock. Drei Kühlboxen, Musik und Mädchen waren dabei – Mädchen, die ich von Weitem bewunderte, mich aber bisher nie getraut hatte anzusprechen.
    Wir fuhren aus dem Dock und eine halbe Meile weit in den Golf von Mexiko hinein. Ich saß auf dem Rand des Pontons, ließ die Füße ins Wasser hängen und sprach gerade mit einem süßen, dunkelhaarigen Mädchen mit blauen Augen namens Tara, als ich es kommen spürte. Das Wasser um mein Bein begann zu kochen und Fuß und Wade leuchteten, als die Narbesich ins Fleisch grub. Das dritte Loriensymbol, die dritte Warnung. Tara schrie und die anderen Kids drängten sich um mich. Ich wusste, dass ich es nicht erklären konnte. Und ich wusste, wir würden sofort abreisen müssen.
    Jetzt stand mehr auf dem Spiel. Sie hatten Nummer Drei aufgesucht, wo immer er oder sie auch gewesen war, und Nummer Drei war tot. Ich beruhigte Tara, küsste sie scheu auf die Wange und sagte ihr, es sei schön gewesen, sie kennenzulernen, und dass ich hoffte, sie hätte ein langes, wunderbares Leben. Dann machte ich einen Kopfsprung vom Bootsrand und schwamm, so schnell ich konnte, die gesamte Strecke bis zum Ufer unter Wasser, bis auf einen einzigen Atemzug etwa auf halbem Weg. Dann rannte ich den Highway entlang, immer versteckt innerhalb der Baumlinie, mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Autos neben mir.
    Als ich nach Hause kam, saß Henri vor den Monitoren und Internetprogrammen, mit denen er Nachrichten aus aller Welt und die Polizeiaktivitäten in unserer Gegend recherchierte. Bevor ich auch nur ein Wort sagte, wusste er Bescheid; er zog dennoch kurz meine nasse Hose hoch, um die Narben zu sehen.
    ***
    Neun von uns sind entkommen.
    Drei sind schon tot.
    Sechs von uns sind noch übrig.
    Sie verfolgen uns, bis sie alle getötet haben.
    Ich bin Nummer Vier.
    Ich weiß, dass ich der Nächste bin.

2
    Ich stehe mitten in der Auffahrt und starre zu dem Haus hinauf. Es ist in einem hellen Zuckerguss-Pink angemalt und steht auf Holzpfählen ungefähr dreißig Zentimeter über dem Boden. Davor wiegt sich eine Palme im Wind. Hinter dem Haus erstreckt sich ein Pier achtzehn Meter weit in den Golf von Mexiko. Wenn das Haus eine Meile weiter südlich stünde, wäre der Pier mitten im Atlantik.
    Henri kommt aus dem Haus. Er trägt die letzte der Kisten, von denen einige nach unserem letzten Umzug gar nicht ausgepackt worden waren. Er schließt die Tür ab und wirft die Schlüssel in den Briefkasten daneben. Es ist zwei Uhr früh. Henri trägt Khakishorts und ein schwarzes Polohemd. Er ist braun gebrannt, sein unrasiertes Gesicht sieht niedergeschlagen aus. Auch ihm fällt der Abschied schwer. Er stellt die letzten Kisten hinten in den Truck zu unseren anderen Sachen.
    »Das wär’s«, sagt er.
    Ich nicke. Wir stehen da, schauen zum Haus hinauf und lauschen dem Wind in den Palmwedeln. Ich habe eine Tüte Sellerie in der Hand. »Dieses Haus wird mir fehlen, die Umgebung auch«, sage ich. »Noch mehr als die Orte davor.«
    »Mir auch.«
    »Zeit fürs Feuer?«
    »Ja. Willst du oder soll ich?«
    »Ich mache es.«
    Henri wirft seine Brieftasche auf den Boden. Ich tue es ihmnach. Er geht zum Wagen, kommt zurück mit Pässen, Geburtsurkunden, Versicherungskarten, Scheckbüchern, Kredit- und Bankkarten und schmeißt alles auf den Boden. Alle Dokumente, alles, was mit unserer Identität hier zusammenhängt, ist gefälscht und nachgemacht. Ich hole aus dem Wagen einen kleinen Benzinkanister, den wir für Notfälle mitführen, und schütte das Benzin über den kleinen Haufen. Mein gegenwärtiger Name ist Daniel Jones, ich bin in Kalifornien aufgewachsen, der Job meines Vaters als Computerprogrammierer hat
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