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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller
Autoren: Dan Wells
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dass wir uns mit bedeutenden Gestalten beschäftigen, nicht mit großen Staatsmännern. Also gelten auch Verbrecher«, erwiderte ich. »Er nannte sogar John Wilkes Booth als Beispiel.«
    »Zwischen einem politischen Attentäter und einem Serienkiller besteht ein großer Unterschied.«
    »Ich weiß«, antwortete ich und sah sie wieder an. »Deshalb habe ich ja über den Mörder geschrieben.«
    »Du bist wirklich ein kluger Junge«, sagte Margaret. »Das meine ich ernst. Wahrscheinlich bist du der einzige Schüler, der mit seinem Aufsatz schon fertig ist. Aber du kannst doch nicht … es ist nicht normal, John. Ich hatte wirklich gehofft, du würdest diese Besessenheit für Mörder irgendwann mal ablegen.«
    »Keine einfachen Mörder«, widersprach ich. »Serienmörder.«
    »Das unterscheidet dich vom Rest der Menschheit. Wir sehen da nämlich keinen Unterschied.« Damit ging sie wieder hinein, um die Galle und das Gift und alle anderen Körperflüssigkeiten abzusaugen, bis die Leiche sauber und rein war. Ich dagegen blieb draußen, starrte zum Himmel und wartete.
    Ich wusste nicht worauf.

ZWEI

Wir bekamen Jeb Jolleys Leiche weder an diesem noch in den folgenden paar Tagen herein. Die ganze Woche verbrachte ich in atemloser Erwartung und eilte jeden Nachmittag nach Hause, um zu sehen, ob sie schon eingetroffen war. Es fühlte sich an wie Weihnachten. Der Gerichtsmediziner hielt die Leiche allerdings länger fest als gewöhnlich, um eine volle Autopsie durchzuführen. Das bedeutete, dass er den Toten aufschnitt und untersuchte, wie und wann er gestorben war und wer ihn umgebracht hatte. Der Clayton Daily brachte jeden Tag etwas über den Todesfall und bestätigte schließlich sogar, dass die Polizei wegen Mordes ermittelte. Ihrem ersten Eindruck zufolge hatte ein wildes Tier Jeb getötet, doch es gab anscheinend mehrere Hinweise, nach denen auf eine vorsätzliche Tat zu schließen war. Welcher Art diese Hinweise waren, verriet man natürlich nicht. Das war das sensationellste Ereignis, das es in meinem ganzen Leben im Clayton County gegeben hatte.
    Am Donnerstag bekamen wir unsere Geschichtsaufsätze zurück. Ich hatte die volle Punktzahl, und am Rand stand: »Interessante Wahl!« Maxwell, der Typ, mit dem ich oft zusammen war, bekam zwei Punkte Abzug wegen des geringen Umfangs und zwei weitere wegen schlechter Rechtschreibung. Er hatte nur eine halbe Seite über Albert Einstein eingereicht und den Namen jedes Mal anders geschrieben.
    »Über Einstein gibt es ja auch nicht viel zu sagen«, verteidigte sich Max, als wir in der Cafeteria der Schule in einer Ecke saßen. »Er hat e = mc 2 und die Atombombe entdeckt, und das war’s auch schon. Ich bin froh, dass ich überhaupt eine halbe Seite zusammenbekommen habe.«
    Eigentlich konnte ich Max nicht besonders gut leiden, und das war fast das Normalste an mir, weil auch sonst niemand Max mochte. Er war klein und ziemlich dick, trug eine Brille, benutzte einen Inhalator und hatte jede Menge Kleidungsstücke aus zweiter Hand im Schrank. Außerdem war er vorlaut und nervig und redete im Brustton der Überzeugung mit Vorliebe über Dinge, von denen er nichts verstand. Anders ausgedrückt, verhielt er sich wie die Schulrowdys, ohne aber deren Körperkraft oder Charisma zu besitzen. Das alles passte mir gut, weil er obendrein eine Eigenschaft besaß, die ich bei Schulfreunden ganz besonders schätzte – er redete gern, und es war ihm egal, ob ich ihm zuhörte oder nicht. Das war ein Teil meines Plans, möglichst unauffällig zu bleiben. Allein waren wir ein verrückter Junge, der mit sich selbst redete, und ein anderer verrückter Junge, der mit überhaupt niemandem sprach. Zusammen waren wir zwei verrückte Jungs, die beinahe so etwas wie einen Dialog führten. Es war nicht viel, aber dadurch wirkten wir ein wenig normaler. Zweimal falsch ergibt einmal richtig.
    Die Clayton Highschool war alt und fiel auseinander wie alles andere in der Stadt. Mit Bussen wurden die Kinder aus dem ganzen County herkutschiert, schätzungsweise ein Drittel der Schüler kam von Farmen und aus Orten jenseits der Stadtgrenze. Einigen Mitschülern war ich noch nie begegnet, weil es manche der weit draußen lebenden Familien vorzogen, ihre Kinder daheim zu unterrichten, bis diese die Highschool besuchen konnten, aber die meisten kannte ich schon aus dem Kindergarten. Nach Clayton kamen keine neuen Leute. Fremde fuhren auf dem Interstate vorbei und warfen einen flüchtigen Blick auf die Stadt. Sie
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