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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller
Autoren: Dan Wells
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auf, um die Feuchtigkeit zu halten und die Lider zu verkleben.
    »Jetzt die Nadelpistole, John«, sagte sie. Ich legte die Watte weg und holte die Pistole vom Metalltisch an der Wand. Es war eine lange Metallröhre mit zwei Ösen für die Finger an der Seite, einer Spritze nicht unähnlich.
    »Darf ich das dieses Mal machen?«
    »Klar.« Sie zog die Oberlippe und die Wange der Toten zurück. »Genau hier.«
    Ich setzte das Gerät sanft auf das Zahnfleisch und presste eine kleine Nadel in den Knochen. Die Zähne waren groß und gelb. Eine weitere Nadel kam in den Unterkiefer, danach spannten wir zwischen den Stiften einen Draht, der den Mund geschlossen hielt. Zuletzt schmierte Margaret etwas Creme auf ein kleines Plastikpolster, das ähnlich wie der Fruchtkeil einer Orange geformt war, und schob es in den Mund, damit alles an Ort und Stelle blieb.
    Nachdem wir das Gesicht behandelt hatten, legten wir die Tote sorgfältig zurecht, streckten die Beine und überkreuzten die Arme in der klassischen Haltung auf der Brust. Sobald das Formaldehyd in die Muskeln eindringt, wird der Körper steif und sperrig. Deshalb muss man zuerst das Gesicht behandeln, denn die Angehörigen sollen keine entstellte Leiche ansehen müssen.
    »Halt den Kopf fest«, sagte Margaret, und ich legte gehorsam links und rechts die Hände an die Schläfen der Toten, damit nichts wackelte. Margaret tastete unterdessen ein wenig über dem rechten Schlüsselbein umher, dann brachte sie der Toten am Halsansatz einen langen, nicht sehr tiefen Schnitt bei. Wenn man Tote aufschneidet, fließt praktisch kein Blut, denn sobald das Herz nicht mehr schlägt, fällt der Druck ab, und das Blut sammelt sich im Rücken der Toten. Da diese Leiche länger als gewöhnlich herumgelegen hatte, war ihr Oberkörper schlaff und leer, während der Rücken verfärbt war wie ein riesiger blauer Fleck. Margaret fuhr mit einem kleinen Metallhaken in den Schnitt, zog zwei große Venen heraus – nein, eigentlich waren es eine Arterie und eine Vene – und legte mit Fäden Schlingen darum. Die Blutgefäße waren purpurn und glatt, zwei elastische dunkle Schlaufen, die sich ein paar Zentimeter aus dem Körper ziehen ließen und anschließend wieder hineinglitten. Danach drehte Margaret sich um und bereitete die Pumpe vor.
    Den meisten Menschen ist nicht bewusst, wie viele verschiedene Chemikalien zum Einbalsamieren nötig sind, und wenn man sie einmal zu sehen bekommt, dann fallen vor allem die bunten Farben auf. Jede Flasche – das Formaldehyd, die gerinnungshemmenden Zusätze, die Ätzmittel und die anderen Sachen – hat eine eigene Farbe, die manchmal sogar an Fruchtsaft erinnert. Insgesamt ist die Reihe der Flüssigkeiten bunt wie ein Bonbonladen. Margaret wählte die Chemikalien sorgfältig aus, als dächte sie über die Zutaten für eine Suppe nach. Nicht jeder Körper brauchte jede Chemikalie, und es war ebenso sehr eine Kunst wie eine Wissenschaft, für jede Leiche das richtige Rezept zu finden. Während sie sich damit beschäftigte, ließ ich den Kopf los und nahm das Skalpell zur Hand. Ich durfte nicht immer die Einschnitte vornehmen, aber wenn ich es tat, während Mutter und Margaret nicht hinschauten, bekam ich eigentlich nie Ärger. Außerdem war ich ganz gut darin, was für mich sprach.
    Margaret würde die freigelegte Arterie benutzen, um den Chemiecocktail, den sie gerade ansetzte, in den Körper zu pumpen. So konnten wir die alten Körperflüssigkeiten wie Blut und Wasser aus der ebenfalls freigelegten Vene herauspressen und durch einen Schlauch zum Ablauf im Boden leiten. Manchmal wunderte ich mich, dass letzten Endes alles im Abwasserkanal landete, aber ehrlich gesagt, wo sonst? Unser Abfall ist nicht schlimmer als alles andere da unten. Ich hielt die Arterie ruhig und schnitt sie langsam auf, ohne sie völlig zu durchtrennen. Als das Loch groß genug war, schob ich eine dicke Metallkanüle hinein. Die Arterie fühlte sich wie ein dünner Gummischlauch an und war von kleinen Muskeln und Kapillaren überzogen. Danach legte ich die Metallröhre vorsichtig auf die Brust der Toten und machte einen ähnlichen Einschnitt in die Vene. Dieses Mal brachte ich jedoch einen Anschluss an, der mit einem durchsichtigen Plastikschlauch verbunden war. Der Schlauch schlängelte sich bis zum Abfluss im Fußboden. Zuletzt zog ich die Fäden an, die Margaret um die Blutgefäße gelegt hatte, um sie abzubinden.
    »Das sieht gut aus«, lobte mich Margaret, als sie die Pumpe auf dem
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