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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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Fingerspitzen ihre Schläfe entlang und zog dann den Zopf über ihre Schulter nach vorn.
    »Unwichtig«, wich er aus. »Viel wichtiger ist: Wann sehen wir uns wieder? Morgen?«
    »Da bin ich schon verabredet.« Alexandra zog eine Schnute. Es kribbelte heftig in ihrem Bauch, trotzdem hatte sie nicht vor, der Versuchung nachzugeben und Jörg abzusagen. Freunde ließ man nicht einfach hängen.
    »Und Freitag kann ich nicht, wichtiger Termin. Was ist mit Samstag?«
    »Samstagmittag, aber später muss ich zum Nachtdienst.«
    »Verdammt lange bis Samstag.« Er drehte immer noch ihren Zopf in seiner Hand. »Ich zähle die Stunden, Alexandra.«

Donnerstag, 18. Oktober
     
    Kurz nach sechs Uhr erwachte Tobias in seinem Hotelzimmer. Er schaltete die Nachttischlampe ein, setzte sich auf und überflog ein letztes Mal das Dossier, das neben seinem Bett lag. Jetzt brauchte er es nicht mehr. Die PR-Abteilung hatte ganze Arbeit geleistet. Ein kompletter Lebenslauf und umfangreiche Angaben zu allen relevanten Personen in Alexandras Umfeld. Nahezu lückenlos. Er wusste einfach gerne, mit wem er es zu tun hatte, bevor er sich auf irgendetwas einließ. Natürlich hätte er all das auch selbst herausfinden können. Doch es war bei Weitem eleganter, es andere tun zu lassen. Er musste nur erwähnen, dass er ein Rendezvous plante, und schon flatterten ihm die Informationen ins Haus. Der Verlag überließ nichts dem Zufall, was ihm sehr entgegenkam. Und es gab keine Spur, die zu ihm führte. Mit leisem Lachen schüttelte er den Kopf. Das musste er wohl als Berufskrankheit verbuchen: Wann immer es möglich war, vermied er es, Spuren zu hinterlassen. Von jedem Klick im Internet blieb eine Signatur, die zurückverfolgt werden konnte, von jedem Anruf, jedem Fax. Ein Ausdruck jedoch, der von Hand zu Hand gereicht wurde, konnte sich nur noch selbst verraten. Sein Daumen strich sanft über die Zeilen: Vorlieben, Abneigungen, Freunde. Alexandra hatte ihm alles bestätigt. Es war erstaunlich, wie durchsichtig der Mensch inzwischen geworden war.
    Er stand auf und ging zum Schreibtisch. Dann knüllte er das Papier zu einer dichten Kugel zusammen, legte diese in den Aschenbecher und entzündete ein Streichholz. Fasziniert beobachtete er, wie sich eine feine Rauchsäule kräuselte und die Flammen die Worte genüsslich auffraßen. Genauso sollte es sein: Verzehrend, brennend vor Leidenschaft. Er war bereit, mit dieser Frau so ziemlich jedes denkbare Tabu zu brechen. Bis auf eines.
    Vorsichtig schob er mit dem Zeigefinger die Asche vom Rand zur Mitte. Er zog den Vorhang beiseite und öffnete das Fenster. Sofort brandete Verkehrslärm von der Bundesstraße herauf. Zwischen den Fahrspuren täuschte eine Grünanlage mit Teich idyllische Ruhe vor. Ein paar Spatzen zwitscherten in den kahlen Bäumen auf dem weiten Platz, der sich vom Hotel bis zur Festhalle erstreckte. Trotz ihrer auffälligen Fassade, wirkte sie auf ihn unscheinbar, stand eindeutig im Schatten der Moderne. Direkt vor ihm erhob sich der Messeturm, hinter dem sich der Himmel rosa färbte und die schlafende Silhouette der Stadt zum Leben erweckte. Dies war die Stunde des Tages, die Tobias mehr liebte als jede andere. Die Stunde des Aufbruchs, der Erneuerung; der Sieg des Kommenden über das Vergangene. Ein theatralischer Augenblick, geschaffen für Symbolik und Rituale. Er streckte den Arm mit dem Ascher weit hinaus. Eine Windböe erfasst die grauen Flocken, riss sie mit sich und trug sie davon.
    »Ich nehme, was du mir anbietest, Frankfurt. Und am Ende gebe ich dir alles zurück.«
    Er pustete in die Aschereste, die noch am Glas festklebten. Einige Krümel stoben senkrecht empor und er rieb sich die brennenden Augen.
    »In Zukunft muss ich vorsichtiger sein.«

Freitag, 19. Oktober
     
    Mischa hatte sie nicht gefragt. Wenn er nicht bald den Mund aufmachte, würde sie platzen. Es konnte nicht sein, dass er nicht wissen wollte, wie der Abend mit Stockmann verlaufen war. Alexandra musste unbedingt wissen, was er darüber dachte, ehe sie Tobias wieder traf. Die Zeit bis dahin erschien ihr unerträglich lang. Im Augenblick war allerdings an ein persönliches Gespräch nicht zu denken. Ausgerechnet auf der Rückseite der Liebfrauen-Kirche, kurz vor dem Durchgang zum Kloster, mussten zwei Kampfhähne auf Distanz gehalten werden. Eine Angestellte aus dem gegenüberliegenden Laden hatte eine beginnende Schlägerei gemeldet. Fröstelnd lehnte sie mit dem Rücken an der Hauswand und deutete wortlos auf
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