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Ich bin die, die niemand sieht

Ich bin die, die niemand sieht

Titel: Ich bin die, die niemand sieht
Autoren: J Berry
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Nacht älter und dein Gesicht ist seither gezeichnet.
    Nur für einen war es noch schlimmer, dass sie fortging. Und er ist für dich die noch größere Tragödie.
    X
    Für mich wirkte er nie wie dein Vater. Ich wusste natürlich, dass er es war, aber geglaubt habe ich es nie. Ich habe nie diese Blutsbande zwischen euch gespürt. Ihn fesselten nur die Bande seines eigenen Wahnsinns.
    Dein Vater starb in der Nacht, welche die ganze Stadt für seine Todesnacht hält. Aus seiner Asche wurde mein Entführer geboren. Die beiden Männer gleichen einander nicht und kennen einander nicht.
    XI
    Am Morgen nach den Holzarbeiten auf dem Grundstück der Aldrus’ fand ich etwas in einer Astgabel meines Weidenbaums – einen Blumenstrauß, der mit einem Weizenhalm zusammengebunden war.
    Voller Hoffnung lief ich mit den Blumen nach Hause und hatte tausend alberne Mädchenträume, die sich nur um dich drehten.
    Ich wusste genau, was dir diese Blumen bedeuteten.
    Es waren nicht die ersten Blumen, die du mir gebracht hattest.
    Ich stellte mir vor, was ich wohl tun würde, wenn ich dich wiedersähe: Was ich nicht sagen würde, was ich sagen würde und wie ich dir ohne Worte zu verstehen geben würde, dass ich mich über dein Geschenk gefreut hatte.
    Es sollten zwei Jahre vergehen, bis ich diese Gelegenheit bekommen würde, und als sie kam, gab es nichts mehr zu sagen.
    XII
    Heute hast du Wachdienst. Dein Bett ist kalt und du sitzt meilenweit entfernt in einer Hütte auf einem Hügel und blickst aufs Meer hinaus. Du siehst Wolken und Stürme, denn das Meer kommt nie zur Ruhe. Alarmiert werden die Farmer jedoch nur beim Anblick von Schiffen. Die Homelander haben nicht vergessen, welchen Empfang wir ihnen bereitet haben, als sie mit ihren Schiffen erstmals unseren Fluss hinuntersegelten und mit gierigen Blicken unsere Farmen betrachteten. Seit Jahren rechnen wir mit ihrer wütenden Rache.
    Ich schlafe schlecht, weil ich weiß, dass du so weit weg bist und dich mühsam wachhalten musst.
    Es ist der stille Preis der Wachsamkeit.
    Immerhin leistet Jip dir Gesellschaft.
    XIII
    Als Darrel heute Nachmittag nach Hause kam, sagte er, er wolle nicht mehr zur Schule gehen. Der neue Lehrer sei langweilig und habe mit Latein begonnen. Wozu brauche man Latein? Englisch sei gut genug für die Bibel, also sei es auch gut genug für Darrel. Das waren die Argumente meines Bruders, des Philosophen, und um sie zu unterstreichen, zerbrach er seine Schiefertafel über dem Ofen.
    Er bezeichnet sich jetzt als der Mann im Haus. Der Vielredner träumt von großen Schlachten. Zur Übung zielt er mit Vaters Pistole auf Hasen. Die Hasen brauchen keine Angst zu haben, aber Darrel müsste um seine eigene Haut fürchten, wenn er auch nur einen Funken Verstand hätte.
    Vater hätte Darrel nicht erlaubt, die Schule abzubrechen – immerhin war Darrel Klassenbester! Aber Vater ist nicht mehr hier und Mutter braucht Hilfe bei der Ernte.
    Vater hätte es auch nicht gefallen, dass wir unser Geld mit dem Schnapsbrennen verdienen.
    XIV
    Ich knie im Garten und zupfe Rüben. Fett und rund gleiten sie schon beim ersten Ziehen aus der Erde. Ich klopfe den Dreck von ihnen ab. Mein Korb füllt sich schnell.
    Vater liebte diesen Boden. Nur Mutter liebte er noch mehr, mit aller Macht. Er machte diesen Boden schön und fruchtbar. Zu seinen Lebzeiten war er einer der angesehensten Farmer von Roswell Station.
    Wenn meine Arme voll guter, brauner Erde sind, fühle ich mich meinem Vater am nächsten. Also helfe ich meiner Mutter, so wie er es gewollt hätte.
    XV
    Mr Johnson hast du nicht wegen der Ochsen besucht. Es ging um einen viel größeren Gefallen.
    Ich hörte, wie Maria sich am Brunnen mit Eunice Robinson unterhielt. Alle vergessen, dass ich auch Ohren habe. Oder es ist ihnen egal.
    Maria prahlt, aber ihre Augen sagen etwas anderes.
    Beim nächsten Vollmond wirst du sie heiraten.
    XVI
    Bist du stolz darauf, die Dorfschönheit zu heiraten? Leon Cartwright und Jud Mathis in den Schatten gestellt zu haben?
    Tust du es aus Liebe oder wegen des Geldes? Willst du den Makel auslöschen, den dein Vater hinterlassen hat?
    Oder willst du mich loswerden?
    XVII
    Ich flüchte zu meinem Felsen im Wald. Vater und ich gingen immer dorthin, um zu singen. Ich beobachte den Sonnenuntergang, sehe den Mond auf- und wieder untergehen.
    Mutter wird mich umbringen.
    Du wirst heiraten.
    Die Nacht ist so kalt wie der Fluss, der mich mit seinem Gesang ruft.
    Von den zwei Jahren mit ihm kehrte ich zurück wie
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