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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren!
Autoren: Henryk M. Broder
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hat und wie sie in die Dokumentation geraten sind, ist bis heute ungeklärt. Irgendjemand muss ein wenig nachgeholfen haben, um die Reaktionen zu optimieren. Prompt schreiben die Zeitungen in den arabischen Ländern, dänische Medien hätten Mohammed als Schwein dargestellt, die Rede ist von 120 Zeichnungen und davon, dass die dänische Regierung hinter allem stecke.
    Der ägyptische Außenminister sorgt dafür, dass die Dokumentation im Dezember 2005 beim Gipfeltreffen der OIC in Mekka verteilt wird. Dänemark gerät immer mehr unter Druck und auch im Lande ändert sich die Stimmung. Noch im November fanden es 57 Prozent der Dänen richtig, die Karikaturen zu drucken, 31 Prozent hielten es für einen Fehler. Doch je heftiger die Proteste ausfallen, umso mehr Dänen äußern Verständnis für die Reaktionen der Muslime.
    Im Januar 2006 kommt es zu einer weiteren Eskalation. Die Moslems feiern Eid al-Adha, das Opferfest zum Abschluss der Pilgerfahrt nach Mekka. Über 100 Millionen Moslems in aller Welt werden per Satellit aufgerufen, sich der »Kampagne gegen den Propheten Mohammed« zu widersetzen. Saudi-Arabien macht sich zum Vorreiter der beleidigten Massen. Dass zeitgleich in Mekka 362 Pilger totgetrampelt werden, tut der antidänischen Stimmung keinen Abbruch. Einflussreiche Prediger drohen Dänemark mit einem Boykott, falls die Regierung nicht doch noch »hart« gegen die Urheber der Mohammed-Karikaturen vorgeht.
    Am 30 . Januar 2006 treffen sich die Außenminister der EU in Brüssel. Einige sind der Meinung, Dänemark habe die Gelegenheit, den Konflikt selbst zu lösen, verpasst; der luxemburgische Außenminister spricht nicht nur für sein Land, als er erklärt, die ganze Sache sei »eher ein dänisches als ein europäisches Problem«; die österreichische Außenministerin geht noch weiter: »Äußerungen und Handlungen, die eine Religion auf anstößige Weise herabsetzen, sollten klar verurteilt werden.«
    Auch die USA lassen ihren dänischen Verbündeten im Stich. Im Laufe eines einzigen Tages gebrauchen drei Sprecher des State Department Adjektive wie »inakzeptabel«, »verletzend« und »anstößig«. Die Botschaft kommt bei den Moslems an. Der Großmufti von Jerusalem sagt in einem Interview: »Dänemark ist ein leichtes Opfer, ein kleines Land, das keinerlei entscheidende Bedeutung für die arabischen Länder hat. Deshalb macht sich niemand etwas daraus, dass die Proteste weitergehen.«
    Der 3 . Februar wird zum »Tag des Zorns« ausgerufen. Überall, wo Moslems leben, sind die Mohammed-Karikaturen Thema der Freitagsgebete. Millionen von Moslems, die keine Gelegenheit hatten, auch nur einen Blick auf die Zeichnungen zu werfen, und die nicht einmal wissen, wo Dänemark liegt, demonstrieren gegen die Kränkung des Propheten, angefeuert von Imamen, die eine eigene Agenda haben. Sie sehen den »Tag des Zorns« als eine Chance, die Umma zu formieren - die islamische religiöse Nation, die alle Muslime umfasst, unabhängig davon, wo sie leben und welcher Glaubensrichtung sie angehören. Einer der Wortführer sagt es ganz ungeniert: »Die ganze Umma soll zornig sein und sich erheben, um ihren Zorn auch zu zeigen ... Wir sind keine Nation von Eseln, wir sind eine Nation von Löwen.« Ein anderer berichtet auf Al-Dschasira von angeblichen Plänen extremistischer Dänen, den Koran auf dem Rathausplatz von Kopenhagen verbrennen zu wollen.
    Solche Meldungen sind es, die den aufgehetzten Massen den letzten Kick geben. In Damaskus werden die Botschaften Dänemarks und Norwegens angezündet, in Beirut brennt die dänische Botschaft ab, in Teheran fliegen Brandbomben in die dänische Vertretung, in Nigeria werden dänische und norwegische Fahnen verbrannt, ebenso in Algerien.
    Es sieht aus, als hätte die islamische Welt nur ein Problem, das ihr zu schaffen macht: die dänischen Mohammed-Karikaturen. Die vielen Menschen, die jeden Tag im Irak Opfer von Terroranschlägen werden, sind dagegen keinen Protest und keine Aufregung wert. Und wäre früher der Angriff auf eine Botschaft noch ein Kriegsgrund gewesen, so bemühen sich nun die betroffenen Staaten um »Deeskalation«. Die Opfer üben sich in Demut und bitten die Täter um Nachsicht. Nur nicht weiter provozieren, die Irren könnten böse werden!
    Die dänische Firma Arla Foods, die einen erheblichen Teil ihrer Produkte in moslemische Länder exportiert, schaltet in 25 führenden arabischen Zeitungen Anzeigen, in denen sie sich von den Mohammed-Karikaturen
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