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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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Schwanz läuft in eine dünne Spitze mit zartesten Knöchelchen aus. Ein Schlag mit dieser Schwanzpeitsche gegen irgendeinen kantigen Gegenstand, und sie bricht oder schlägt sich blutig.
    Natürlich müssen ausgerechnet diese Hunde obligatorisch lange Schwänze haben; der Rassestandard, ein von den jeweiligen Zuchtverbänden aufgestellter Normenkatalog äußerer Merkmale, will es so.
    Definitiv geht es dabei in erster Linie um Nebensächlichkeiten wie Augenfarbe, Haarfarbe, Haarlänge oder Körpergröße und -gewicht.
    Wesen und Charakter lassen sich während einer Show ohnehin nicht feststellen.
    Was aber sagt denn schon das gefällige Äußere dieser hochprämierten Hündin beispielsweise über ihre Gebärfähigkeit aus, über ihre Fertilität, ihren Mutterinstinkt und ihre Fitneß?
    Was weiß der Richter über jenen zur Vererbung seiner Schönheit empfohlenen Rüden? Der Deckakt vollzieht sich im stillen Kämmerlein, und der Unfähigkeit, sich selbständig fortzupflanzen, kann mit Hilfe des ehrgeizigen Besitzers abgeholfen werden. So gibt vielleicht ein hochdekorierter Rüde seinen schweren genetischen Defekt hochbezahlt an große Teile des Rassepotentials weiter.
    Aber werfen wir noch einen Blick auf die Frisierten! Abgesehen von ästhetischen Gesichtspunkten – und von ihnen kann man absehen, denn den Hunden ist es Wurscht, wie einer aussieht, da gelten vorwiegend olfaktorische Anti- beziehungsweise Sympathien – davon abgesehen also ist eben nichts mehr zu sehen: nur die Frisur.
    Körperliche Defekte und Formfehler lassen sich perfekt kaschieren. Und achten Sie mal darauf, welcher Richter einen Hund abtastet, bevor er ihn bewertet. Ich habe das unlängst zum erstenmal erlebt; der betreffende Richter kam aus England.
    Dagegen habe ich unzählige Male erlebt, daß Richter bei den im «Ring» laufenden Hunden offensichtliche Fehler im Gangwerk, deutliche Lahmheiten, nicht bemerkten oder ignorierten, weil sie den betreffenden Hund auf den ersten Platz bringen wollten.
    Sie hatten gewiß ihre Gründe dafür, denn fast jeder Richter verwertet seine bedeutenden Fähigkeiten auch als Züchter und möchte seine eigenen Hunde dem Wohlwollen seines Kollegen empfehlen, dessen Zuchtprodukte er benotet.
    An dieser Stelle erhebe ich die Stimme in das Protestgeheul der vereinigten Hundezuchtverbände hinein und sage, daß ich wohl um die ernsthaft Bemühten und engagiert Verantwortlichen in der Branche weiß, aber die Sache mit dem schwarzen Schaf in einer unschuldsweißen Herde stimmt so auch nicht: Es handelt sich nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung um eine schwarze Herde mit einer überschaubaren Anzahl weißer Exemplare darin.
    Im übrigen ist einem Hund nur so lange sein Haarkleid egal, als er sich darin wohl fühlt, das heißt ungehindert bewegen kann. Das kann er aber nicht, wenn das Fell so lang ist, daß er sich beim Laufen drin verheddert, wenn es ihm zu warm ist oder wenn er friert. Und wenn die Haare die Augen bedecken, sieht er kaum noch etwas und wird extrem lichtempfindlich.
    Es gibt Züchter, die bestreiten, was jedes Schulkind sehen kann, und es gibt Käufer, die ihnen glauben.
    Ein letztes Beispiel für praktizierten Firlefanz dieser Kategorie: Der «Old English Sheepdog», auch Bobtail genannt, ein schöner, harmonischer Hund mit langem Haar, wird neuerdings am Hintern gegen den Strich gebürstet. Dann sieht er aus wie eine dicke Schlampe mit hochgehobenen Röcken.
    Und weil, wie ich schon sagte, die allermeisten Richter die – im wahrsten Sinne des Wortes –«Gerichteten» nicht anfassen, kann man wahrhaftig mit so einer Dämlichkeit vortäuschen, der Hund sei hinten höher als vorn, wie es der heilige Standard verlangt, obwohl ihm die meisten Vertreter dieser Rasse da nicht folgen können.
    Es gibt keine Wildhundform, keinen Wolf mit herunterhängenden Ohren. Also züchtete man aus defekt mutierten Welpen Behänge, die vom leichten, lustigen Kippohr gewisser Terrierrassen über die Rosenöhrchen der strammen Bulldogs bis zu den monströsen Riesenlappen einer so monströsen Rasse wie des heutigen Basset reichen. Ich sage «heutiger Basset» und meine den Vertreter jener armen Zunft, der aus ansehnlichen niederläufigen Jagdhunden wie dem Basset Artesien herausgezüchtet wurde und jetzt wie ein Bloodhound aussieht, dem die Beine amputiert wurden.
    Ein schweres Ohr mit schmalem Ansatz wie bei den Cocker Spaniels kann der Hund nicht einmal mehr andeutungsweise aufstellen: das Ohrinnere wird nicht
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