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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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sich die ineinander verklammerten Absurditäten ein labiles Gleichgewicht geben, das unschwer ins Wanken gebracht werden kann.
    Alle wissen, was uns dann erwartet, und nahezu jedermann sägt weiter verbissen an dem Ast, auf dem er sitzt.
    Die wenigen Weisen unter uns werden gehört, bestaunt, belächelt oder verhöhnt: gegen den Bazillus der menschlichen Dummheit ist das Aidsvirus ein banaler Schnupfenerreger.
    Und das Schema ist immer das gleiche: die Sinnlosigkeit feiert fröhliche Urständ, ob es um die Verpestung der Luft, um den Verein zur Förderung des Motorsports oder eben auch um die gezielte Vermehrung von monströsen Hunden geht.
    Besuchen wir also eine große internationale Hundeausstellung, einen Ort, wo erklärtermaßen die schönsten und die besten unter den zirka vierhundert registrierten Rassen benotet und die allerschönsten und allerbesten zwecks Weitergabe ihrer Hochwertigkeit empfohlen werden sollen.
    Denn züchten kann praktisch nur der, dessen Rüde oder Hündin mehrfach mit höchsten Noten bewertet wurde und internationale Würden errungen hat.
    Welpen von nicht ausgezeichneten Elterntieren lassen sich kaum verkaufen. Der Markt ist groß, die Konkurrenz erdrückend, jedenfalls bei den meisten Rassen.
    Ebenso erdrückend ist der Anblick dieser Hallen, in denen die Hunde – in kleine Drahtkäfige oder Boxen gesperrt – zwei oder drei Tage verbringen müssen, umgeben von Hunderten ihrer Artgenossen, in einer ohrenbetäubenden Geräuschkulisse: per se eine widernatürliche Situation, die sie – je nach Veranlagung – stoisch oder aggressiv – über sich ergehen lassen.
    Was bleibt ihnen auch anderes übrig, den Nachkommen jener stolzen Wölflinge, die sich freiwillig mit ihren hochentwickelten Fähigkeiten partnerschaftlich in den Dienst einer frühen Menschheit gestellt hatten?
    Inzwischen sind sie heruntergekommen zu Objekten sinnlosen Ehrgeizes und übler Geschäftemacherei.
    Beginnen wir mit der Schilderung einer relativ harmlosen Form des züchterischen Irrsinns:
    Nachdem es gelungen war, dem Hund das allein sinnvolle Fell, das stockhaarige des Wolfes und fast aller Wildhundrassen, wegzuzüchten, nackte Hunde zu «kreieren» und solche mit einem Haargebüsch, das sie zu einem verfilzten Wollungetüm macht, wie den ungarischen Komondor, wurde der Hund pflegeaufwendig.
    Die Haarpracht wird nun gefönt, geschnitten, rasiert, toupiert, onduliert, fixiert, bis so ein armes Luder ein lächerliches Zerrbild seiner selbst geworden ist.
    Überall in den Ausstellungshallen sind Quasi-Galgen aufgestellt, an denen die Hunde, mit einer kurzen Schlinge am Hals gefesselt, «gestylt» werden.
    Je nach Rasse: vorne lang, hinten – in der empfindlichen Nierengegend – kurz oder nackt, mit Pompons an Beinen, Ohren, Schwänzen. Mit Punkfrisuren oder Haaren über den Augen. Mit original langen Schwänzen, die modisch abgesäbelt wurden oder so weggezüchtet, daß die Hunde schon schwanzlos, also verkrüppelt, geboren werden.
    Warum schicken die Richter solche Hunde nicht aus dem Ring?
    Wir wollen zu ihren Gunsten annehmen, daß sie nicht wissen, daß mit diesem Defekt schwere Erbfehler verbunden sind. Aber warum wurden sie Richter, wenn sie derart gravierende Unkenntnis zeigen?
    Oder anders gefragt: Wenn man schon sowenig erbbiologische Kenntnisse hat, warum besteht dann nicht die bindende Vorschrift, jedem Richter einen Veterinär als kontrollierende Instanz zuzuordnen?
    Dann wäre vielleicht auch die Farbverteilung bei, beispielsweise, den Boston Terriern weniger wichtig als die Größe ihrer Köpfe, die eine natürliche Geburt möglich oder nicht möglich machen.
    Bestimmte Rassen existieren doch nur noch, weil es als Ultima ratio immer die Sectio caesarea gibt, den kaiserlichen Schnitt, der immer nur ein Mittel sein sollte, Unfälle während des Geburtsvorganges nicht tödlich enden zu lassen.
    Und will irgend jemand ausschließen, daß es Tierärzte gibt, die der Versuchung erliegen, einen Kaiserschnitt zu machen, weil sie dann zum Krimi zu Hause sind, sich andernfalls aber die ganze Nacht um die Ohren schlagen müssen, um bei einer normalen Geburt Beistand zu leisten? Für das gleiche Honorar?
    Gegen derartige schwere Vergehen wider die Natur nehmen sich kupierte Schwänze vergleichsweise harmlos aus. Übrigens gibt es einen Fall, wo die Rückzüchtung auf kurze Schwänze sinnvoll und notwendig wäre: bei den riesigen Deutschen Doggen. Sie sind kurzhaarig, und der lange, im Ansatz handgelenkdicke
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