Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel

Hotel

Titel: Hotel
Autoren: Arthur Hailey
Vom Netzwerk:
unter vierzig, und einige arbeiteten schon ein Vierteljahrhundert oder länger im Hotel.
    Herbie Chandler, der in seinem Ressort frei entscheiden konnte, stellte lieber ältere Männer ein. Ein alter Mann, der nur mühsam unter Schnauben und Grunzen mit dem Gepäck zurechtkam, kassierte aller Voraussicht nach größere Trinkgelder als ein junger Bursche, der schwere Koffer auf den Schultern balancierte, als wären sie leicht wie Balsaholz. Einer der langjährigen Angestellten, ein kräftiger, sehniger Kerl, hatte sich einen speziellen Trick ausgedacht. Wenn er vor dem Gast herging, setzte er die Koffer alle paar Meter ab, drückte sich japsend die Hand aufs Herz und schleppte die Last kopfschüttelnd weiter. Der Kniff brachte ihm selten weniger als einen Dollar ein, weil seine zerknirschten Opfer überzeugt waren, daß ihn an der nächsten Ecke ein Herzschlag treffen würde. Was sie nicht wußten, war, daß zehn Prozent aller Trinkgelder in Herbie Chandlers Tasche wanderten und daß jeder Boy ihm außerdem täglich zwei Dollar zahlen mußte, wenn er seinen Posten behalten wollte.
    Chandlers privates Besteuerungssystem erboste seine Untergebenen, obwohl ein Boy, der seine Sache verstand, es trotzdem auf 150 Dollar Reinverdienst in der Woche bringen konnte, wenn das Hotel voll besetzt war. Bei starkem Andrang, wie in dieser Nacht, blieb der Chefportier weit über die normale Dienstzeit auf seinem Posten. Er traute niemandem und zog es vor, selbst ein Auge auf seine Prozente zu haben. Die Genauigkeit, mit der er Gäste und Trinkgelder einschätzte und erriet, wieviel ein Ausflug in die obersten Etagen einbringen würde, war unheimlich. Es gab immer wieder verstockte Individualisten, die Herbie zu betrügen versuchten und ihm einen Teil ihrer Einnahmen unterschlugen. Aber die Strafe ließ nie auf sich warten und erfolgte mit so unfehlbarer, grausamer Treffsicherheit, daß die armen Ketzer schnell zu Kreuze krochen.
    Chandlers Ausdauer hatte jedoch in dieser Nacht noch einen anderen Grund. Seine Nervosität hatte seit Peter McDermotts Anruf ständig zugenommen. McDermott hatte ihm befohlen, der Beschwerde in der elften Etage nachzugehen. Aber Chandler brauchte ihr nicht nachzugehen, weil er sich ohnedies so ziemlich vorstellen konnte, was oben los war. Er selbst hatte die Orgie arrangiert.
    Vor etwa drei Stunden hatten zwei junge Leute ihm ihre diesbezüglichen Wünsche ganz offen mitgeteilt, und da beider Väter reiche ortsansässige Bürger und gute Kunden des Hotels waren, hatte Herbie respektvoll zugehört. »Also, Herbie«, hatte der eine gesagt, »heute abend steigt hier der Verbindungsball … der gleiche alte Krampf wie jedes Jahr, und wir möchten gern mal was anderes erleben.«
    »Was, zum Beispiel?« hatte er gefragt, obwohl er die Antwort im voraus wußte.
    »Wir haben eine Suite genommen, und« – der Junge errötete – »wir wollen ein paar Mädchen.«
    Herbie entschied sofort, daß die Sache zu riskant war. Die beiden waren nicht viel mehr als Schulbuben, und außerdem kam es ihm ganz so vor, als hätten sie getrunken. Er schüttelte den Kopf und fing an: »Tut mir leid, meine Herren …« Aber der zweite Junge unterbrach ihn.
    »Kommen Sie uns bloß nicht mit dummen Ausreden. Wir wissen doch, daß Sie hier die Gäste mit Callgirls beliefern.«
    Chandler zeigte seine Frettchenzähne und verzerrte das Gesicht zu einem gezwungenen Lächeln. »Ich möchte wissen, wer Ihnen das eingeredet hat, Mr. Dixon.«
    Der Junge, der zuerst gesprochen hatte, ließ nicht locker. »Wir können zahlen, Herbie, das wissen Sie doch.«
    Der Chefportier war noch immer unschlüssig, aber seine Gedanken kreisten gierig um das verlockende Geschäft. Gerade in den letzten Wochen hatte sein Nebenverdienst nachgelassen. Vielleicht war die Sache doch nicht so gefährlich.
    »Also, los«, sagte der Junge namens Dixon. »Geben Sie sich einen Ruck. Wieviel?«
    Herbie musterte die Kunden, dachte an ihre wohlhabenden Väter und multiplizierte den Einheitstarif mit zwei. »Hundert Dollar.«
    »Abgemacht«, erklärte Dixon nach kurzem Zögern und wandte sich an seinen Kameraden. »Hör zu, Lyle, den Schnaps haben wir schon bezahlt, und was dir zu deinem Anteil fehlt, pump’ ich dir.«
    »Na gut …«
    »Gezahlt wird im voraus, meine Herren.« Herbie fuhr sich mit der Zunge über die dünnen Lippen. »Und noch eins. Machen Sie bloß keinen Lärm. Falls es zu laut wird und die anderen Gäste sich beschweren, kann das für uns alle sehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher