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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition)
Autoren: Hanni Münzer
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angebissenen Apfel. „Komm, ich fahre dich rüber. Jetzt bin ich auch neugierig geworden, was mit deiner Mutter los ist.“
    Unterwegs meinte Olivia nachdenklich: „Du erwähntest vorhin einen Buß-Marathon. Fürchtest du denn, es geht wieder von vorne los?“ Die beiden Freundinnen kannten sich seit dem Kindergarten und Olivia hatte schon in jungen Jahren regen Anteil an den diversen Rückfällen von Felicitys Mutter genommen. „Sag, wann genau war denn das letzte Mal? Das ist doch schon länger her, oder?“, erkundigte sich Olivia weiter.
    Felicity überlegte, dass es zuletzt vor ungefähr acht Jahren vorgekommen war, dass sich die ehemalige Ordensschwester Martha Benedict tagelang eingesperrt hatte, um Gott um Vergebung anzuflehen, dass sie ihn enttäuscht hatte. Zuvor war dies in regelmäßigen Abständen ungefähr alle sechs Monate geschehen. Zum ersten Mal kam ihr so richtig zu Bewusstsein, dass die früher geradezu fanatische Frömmigkeit ihrer Mutter von Jahr zu Jahr abgenommen hatte. Felicity runzelte die Stirn. Tatsächlich hatte die positive Entwicklung ihrer Mutter eingesetzt, als ihre Großmutter Maria wegen einer fortgeschrittenen Alzheimer-Erkrankung ins Pflegeheim gemusst hatte. Das sagte sie Olivia jetzt und ergänzte: „Es wäre immerhin möglich, dass Großmutters Tod einen Rückfall bei ihr ausgelöst hat. Ich hoffe aber inständig, dass es nichts damit zu tun hat. Für Vater wäre das schlimm und würde alte Wunden aufreißen. Er kommt sich dann immer vor, als hätte er Mom um ihr Leben betrogen.“
    „Na ja, eigentlich hat eure Mutter doch euch um euer Leben betrogen. Ehrlich, ich habe dich und deinen Dad immer dafür bewundert, wie ihr ihre Marotten ausgehalten habt. Mir summt jetzt noch ihr mea culpa, mea maxima culpa im Ohr. Sie ist doch mindestens doppelt so fromm wie mein Bruder Fred. Und der ist immerhin Jesuit.“ Olivia hatte noch nie ein Blatt vor den Mund genommen.
    Felicity verzog das Gesicht. Es war nicht das erste Mal, dass ihre Freundin dieses Thema anschnitt. Es stimmte, ihr Vater liebte ihre Mutter abgöttisch. Er war fünfzehn Jahre älter als sie und die beiden hatten spät geheiratet. Felicity war ihr einziges Kind geblieben. Ihre Mutter hatte die vierzig bereits überschritten gehabt, als sich ihre Tochter angekündigt hatte. Ihre Mutter und sie wären bei der Geburt beinahe gestorben und Felicity hatte monatelang im Krankenhaus aufgepäppelt werden müssen. Auch das hatte Martha Benedict oft genug als Strafe Gottes dafür angesehen, weil sie aus dem Thuiner Franziskanerinnen-Orden ausgetreten war, um ihren Vater Arthur zu heiraten. Felicity hoffte so sehr, dass es einen anderen Grund für das Verschwinden ihrer Mutter gab als einen Rückfall in ihre alten Reuemuster.
    Olivias betagter Peugeot bog nun in den Richmond Beach Drive ein und hielt vor dem Backsteinhaus von Felicitys Eltern. Felicity entdeckte ihren Vater in der offenen Haustür. Schwer auf zwei Krücken gestützt, lehnte er im Türrahmen. Er trug keine Jacke, obwohl ein kühler Wind von der Küste wehte und ihm durch sein weißes Haar fuhr. Das Haus lag direkt am Puget Sound, den nur ein schmaler Streifen Land vom Pazifik trennte. Felicity sparte sich den Vorwurf, dass er sich so nur erkälten würde, als sie in sein sorgenvolles Gesicht sah.
    Sie führte ihn ins Haus zurück und ihr Vater brachte sie auf den neuesten Stand, der keiner war. Felicitys Mutter hatte sich immer noch nicht gemeldet, ihr Mobiltelefon war weiter abgeschaltet und auch die Anrufe bei den verschiedenen Komitee-Mitgliedern, die ihr Vater zwischenzeitlich unternommen hatte, hatten nichts ergeben. Felicity checkte nochmals den Anrufbeantworter, auch er hatte nichts aufgezeichnet. Ihr Vater besaß kein Mobiltelefon.
    Sie erkundigte sich selbst noch einmal im Pflegeheim Woodhill und erhielt dieselbe Auskunft wie ihr Vater: Ihre Mutter wäre höchstens eine halbe Stunde da gewesen und wäre dann gegangen, ohne sich zu verabschieden. „Dieser Pfleger, der meine Mutter gesehen hat … Könnte ich vielleicht kurz mit ihm sprechen? Vielleicht hat sie ja doch etwas zu ihm gesagt?“
    „Nein“, antwortete die stellvertretende Leiterin des Heimes kurzangebunden. „Mr Gonzalez ist unabkömmlich. Außerdem hat er Ihre Mutter nur deshalb bemerkt, weil sie ihn fast umgerannt hat und er dabei sein Tablett fallen ließ. Was ist jetzt bitte mit dem Zimmer Ihrer Großmutter? Wenn Sie es nicht bis morgen Mittag geräumt haben, dann müssen wir Ihnen
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