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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat
Autoren: L Herzog
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auch die Praxis, dass die meisten jungen Kellner unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung am »Chemnitzer Hof« in die Bundesrepublik, nach Österreich und in die Schweiz zogen, um dort ihre Berufskenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Mancher kehrte von dort auch wieder zurück. Ich selbst hatte ebenfalls mit einem solchen Gedanken gespielt, doch als sich dieser nun am 13. August erledigte, war ich nicht besonders gram oder verärgert. Ich war von der Notwendigkeit dieser Maßnahme überzeugt, dazu bedurfte es nicht des FDJ-Studienjahres, das ich natürlich besuchte.
    Politik, ja, fand auch statt, aber in erster Linie interessierte mich alles, wofür sich junge Leute interessieren.
    Außerdem las ich gern und viel. Und von meinem Trinkgeld – die »Lehrlingsrente« lieferte ich komplett bei meinen Eltern ab – kaufte ich mir ein Sportrad von »Diamant«, was irrsinnige 480 Mark kostete. Dafür hatte ich ein ganzes Jahr gespart.
    Einmal stieg auch Walter Ulbricht im »Chemnitzer Hof« ab und blieb über Nacht. Der Staatsratsvorsitzende wurde jedoch von einer Betreuungsgruppe begleitet, dazu gehörten nicht nur der Personenschutz, sondern auch sein persönlicher Koch und ein Kellner. Dass nicht das Hotelpersonal sich um ihn kümmerte, verwunderte mich ein wenig. Doch meine älteren Kollegen, die das nicht zum ersten Male erlebten, wiegelten ab. Das sei normal und nicht ungewöhnlich.
    Mitte Juli 1961 absolvierte ich meine Abschlussprüfungen in Theorie und Praxis mit »Sehr gut«, am 31. August bekamen wir die Facharbeiterzeugnisse ausgehändigt.
    Wegen der Maßnahmen in Berlin und an der Staatsgrenze West ergaben sich akute Personalprobleme;
    die Streitkräfte der DDR einschließlich der Grenzpolizei wurden von Freiwilligen gebildet, erst 1962 sollte qua Gesetz die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden. SED und FDJ des Bezirkes Karl-Marx-Stadt verpflichteten sich, ein ganzes Bataillon Freiwilliger zu werben, das waren also an die tausend Mann. Auch bei mir klopfte man an und wollte mich für einen dreijährigen Dienst an der Grenze gewinnen. Ich leistete nur hinhaltenden Widerstand und unterschrieb. An meinem 18. Geburtstag, am 15. September 1961, sollte ich mich in Erfurt beim FDJ-Grenzbataillon »Karl-Marx-Stadt« melden.
    Allerdings kreuzte wenige Tage vor Dienstantritt ein Unbekannter bei mir auf. Er wirkte sehr selbstbewusst und überzeugend. Ohne sich vorzustellen oder auszuweisen fragte er mich, ob ich nicht Lust auf Veränderung hätte. Wie solle die aussehen, fragte ich zurück. In Berlin zu arbeiten, sagte er. Und als was? Darauf er: in deinem Beruf.
    Dagegen habe ich nichts, warf ich ein, allerdings hätte ich mich bereits für drei Jahre an der Grenze verpflichtet.
    Der geheimnisvolle Fremde machte eine wegwerfende Handbewegung und lächelte vielsagend. Das werde man für mich erledigen. Ich würde wieder von ihm hören, sagte er und verabschiedete sich.
    Wochenlang hörte ich nichts.
    Irgendwann wurde ich in das Büro des Hoteldirektors bestellt. Dort erwarteten mich zwei Herrn, die ich nicht kannte. Ob sie sich vorstellten, vermag ich nicht zu erinnern, jedenfalls hatte ich sie vorher nie gesehen und später traf ich auch nur den einen wieder, ihre Namen und Gesichter sind mir nicht gegenwärtig.
    Sie sprachen mit mir über meinen Beruf und meine Vorstellungen, über die Familie und meinen Umgang, kurz, sie horchten mich ganz schön aus. Dann sagten sie mir, dass sie Arbeit für mich in Berlin hätten, doch die würde ich nur ausüben können, wenn ich den Kontakt zu meiner derzeitigen Freundin beendete. Ich fragte nicht warum, nickte nur, und durfte dann wieder gehen. Die Sache schien sich erledigt zu haben, denn ich hörte monatelang nichts. Ich arbeitete weiter wie gewohnt.
    Mitte Januar 1962 kreuzte einer der beiden erneut im Hotel auf und erkundigte sich, ob ich noch immer an einem Ortswechsel interessiert sei. Allerdings habe man mit einer gewissen Betrübnis beobachtet, dass ich mich nicht an die Absprache gehalten und meiner Freundin keineswegs den Laufpass gegeben habe.
    Hören Sie, hielt ich dagegen, Sie sprechen einmal mit mir und sagen, ich soll mich von meiner Freundin trennen. Sie nennen wir weder den Grund noch wozu das gut sein soll. Dann verschwinden Sie, ich höre lange nichts, die Sache scheint gestorben zu sein. Jetzt tauchen Sie überraschend auf und mokieren sich darüber, dass ich noch immer mit meiner Freundin zusammen bin.
    Der Mann grinste nur und blieb die Antwort
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