Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hollywood

Hollywood

Titel: Hollywood
Autoren: Harold Robbins
Vom Netzwerk:
In einer Ecke stand eine Bretterbude, die ungefähr acht Meter lang und ebenso breit war. Für die Lastwagen, die das Geflügel vom Land brachten, gab es ein großes Schiebetor, das ebenfalls mit Maschendraht bespannt war. Den größten Teil des Grundstücks nahmen die vielen Käfige ein, die von einem Schuppendach vor Sonne und Regen geschützt wurden. Hunderte von Hühnern, Truthähnen, Enten und Gänsen pickten und scharrten in den engen Gehegen und lärmten mit dem Straßenverkehr um die Wette. Von der anderen Straßenseite her las Joe das riesige Schild, das über die ganze Breite des Zauns ging:
    PHIL KRONOWITZ – ALBERT PAVONE
LEBENDE HÜHNER – GALLINE VIVE
KOSCHERE SCHLACHTUNG – RESTAURANTSERVICE
STÄNDIGE ÜBERWACHUNG DURCH DAS RABBINAT
AUCH EINZELVERKAUF
    Die großen weißen Blockbuchstaben standen auf einem Hintergrund in italienischem Grün.
    Joe wartete, bis er seine Zigarette zu Ende geraucht hatte, ehe er die Straße überquerte. Sein Vater mochte es nicht, wenn er rauchte.
    Schließlich warf er den Zigarettenstummel in den Rinnstein und ging zu der Bretterbude hinüber. Die Tür war verschlossen. »Verdammt«, sagte er leise. Er haßte es, das Grundstück über die Auffahrt zu betreten und zwischen den Käfigen entlangmarschieren zu müssen, wo es nach Exkrementen und Blut roch und wo das todgeweihte Geflügel sein Elend herausschrie.
    Die erste Hälfte des Schuppens war für das koschere Geflügel reserviert. Daneben standen zwölf große eiserne Trichter, an denen Röhren befestigt waren, die zu einem Blutbottich führten. Hier schlitzte der Schächter den Hühnern den Hals auf und steckte sie kopfüber in den Trichter, bis sie ausgeblutet waren. Dann murmelte er ein kurzes Gebet und reichte das Hühnchen dem Kunden – oder gab es, gegen ein kleines Aufgeld, an den Chickenflicker weiter, der ihm blitzschnell die Federn vom Leib riß und es über einem offenen Feuer von Läusen und steckengebliebenen Federkielen befreite. Dieser Teil des Betriebes gehörte Joes Vater.
    Al Pavone, der Partner seines Vaters, war ein dicker, freundlicher Italiener. Er verkaufte weit mehr Geflügel als Phil Kronowitz, nicht nur, weil er billiger war, sondern auch, weil er keinerlei Zeremonien beachten mußte, die bei der Arbeit gestört hätten. Seine Angestellten hackten den Hühnern einfach die Köpfe ab und ließen sie im Käfig herumflattern, bis sie genug Blut verspritzt hatten und umfielen. Dann nahmen sie die toten Hühner, warfen sie in kochendes Wasser und rissen die Federn ohne große Mühe mit einer breiten Drahtbürste ab.
    Es warteten keine Kunden bei seinem Vater. Der Schächter und die beiden Chickenflicker lehnten an der Bretterwand des Büros. Der Schächter rauchte eine Zigarette. Er war ein hohlwangiger, hagerer Mann mit einem langen schwarzen Bart und Schläfenlocken.
    Joe sprach Englisch. »Wie geht es Euch, Rabbi?«
    »Wie soll es mir gehen?« gab der Schächter zur Antwort. »Ich mach a Leben«, fügte er jiddisch hinzu. Aber das war nur Angabe. Joe wußte genau, daß der Schächter genausogut Englisch sprach wie er selbst.
    Joe nickte. »Wo ist mein Vater?«
    »Wo soll er schon sein?« gab der Schächter zur Antwort.
    »Im Büro ist er jedenfalls nicht«, sagte Joe. »Ist denn Josie nicht da?«
    Josie war die üppige Kassiererin und Buchhalterin. »Sie ist essen gegangen«, sagte der Schächter.
    »Mit meinem Vater?« fragte Joe. Er hatte schon lange den Verdacht, daß Josie mit seinem Vater ins Bett ging. Sie war eine dickbusige Frau mit dickem Hintern, wie sein Vater sie liebte.
    Der Schächter schien derselben Ansicht zu sein. »Das geht mich nichts an. Ich kümmere mich nicht darum, wer mit wem essen geht.«
    »Arschloch«, murmelte Joe und ging hinüber zu Al. Der Italiener stand neben dem dampfenden Kessel mit kochendem Wasser. »Buon giorno, Tio Alberto«, sagte Joe lächelnd.
    »Vass machst du, Jussele?« gab Al Pavone lachend zurück.
    »Na, war das nicht gut für einen Spaghetti?«
    Joe lachte. »Du sprichst besser Jiddisch als ich, Onkel Albert.«
    Al brauchte er gar keine langen Fragen zu stellen. »Dein Vater ist im ›Little Oriental‹«, sagte er. »Ich soll dich gleich hinschicken, hat er gesagt.«
    »Im ›Little Oriental‹?« fragte Joe. »Ich dachte, Jake läßt ihn gar nicht ins Restaurant, weil er Angst hat, mein Vater bringt das Ungeziefer von den Hühnern mit in sein nobles Lokal.«
    »Dein Vater hat nicht nur gebadet, sondern auch noch seinen besten Anzug
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher