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Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4

Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4

Titel: Hogan, S: Steampunk-Saga: Episode 4
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ganz genau.
    Noch wenige Wochen zuvor hätte Kate sich niemals vorstellen können, einmal an solchen hausfraulichen Tätigkeiten wie dem Bügeln eines riesigen Herren-Taschentuchs aus Baumwolle Gefallen zu finden. Sie entdeckte ganz neue Seiten an sich, und sie wusste nicht, ob ihr das überhaupt gefiel. Gewiss, sie träumte oft von der irgendwann im kommenden Jahr anstehenden Hochzeit mit James. Welche junge Frau im Jahre 1851 wünschte sich nicht, von ihrem Geliebten vor den Traualtar geführt zu werden? Und doch konnte sich Kate nicht vorstellen, ihre Unabhängigkeit aufzugeben. Ob James sich darauf überhaupt einlassen würde?
    Bevor Kate sich vollends in ungute Grübeleien verstrickte, zauberte ihr Verlobter plötzlich eine kleine Schachtel aus der Tasche seiner Pelerine.
    „Hier, das ist für dich. Damit dir die Zeit ohne mich nicht allzu lang wird.“
    Kate liebte die Geschenke, die James ihr von Zeit zu Zeit machte. Er traf damit stets ihren Geschmack. Während sich andere junge Damen über Bonbonnieren oder belgische Pralinen oder ein Blumenbukett freuten, hatte Kate ganz andere Vorlieben.
    Gespannt riss Kate das Einwickelpapier ab. In dem Behältnis befand sich eine bunte Orchidee aus Blech. Man konnte sie mit einem kleinen Schlüssel aufziehen, was Kate natürlich sofort tat. Daraufhin begann die künstliche Blume ihre Blütenblätter zu bewegen, während gleichzeitig eine Spieluhr im Inneren des Uhrwerk-Mechanismus das bekannte Liebeslied Fairy Heart erklingen ließ. Diese Mischung aus Romantik und Technik war genau das, was Kate begeisterte. Auch diesmal also hatte James ihre Interessen richtig eingeschätzt. Nun konnte sie ihre Tränen wirklich nicht mehr zurückhalten.
    „Ich hasse dich, James Barwick“, schluchzte sie. Aber sie meinte natürlich das genaue Gegenteil davon, und ihr Verlobter wusste es. Er gab ihr einen Kuss.
    „Hoffentlich werde ich bald wieder bei dir sein.“
    Mit diesen Worten schwang sich James auf das Trittbrett des Eisenbahnwaggons und hob grüßend seine behandschuhte Rechte. Gleich darauf schloss der uniformierte Schaffner alle Abteile. Der Bahnhofsvorsteher betätigte seine Trillerpfeife, und ein dissonanter, durchdringender Hupton kündigte die Abfahrt des Zuges an.
    Kates Herz klopfte immer schwerer, während die farbige Blechorchidee in ihrer Hand langsam das Liebeslied verklingen ließ. Die junge Frau schaute dem Birmingham-Express so lange nach, bis sich die schwarzen Rauchwolken gelegt hatten und von den Eisenbahnwaggons nichts mehr zu erkennen war. Und während der Zug verschwand, löste sich auch Kates sentimental-wehleidige Stimmung in Luft auf. Sie presste entschlossen die Lippen aufeinander und ließ das Blechspielzeug in ihrer Handtasche verschwinden. Stattdessen zückte sie ihr Puderdöschen und brachte ihr derangiertes Makeup wieder auf Vordermann.
    Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie ihren Tränen freien Lauf gelassen hatte. James sollte nur nicht denken, dass sie eines dieser Mauerblümchen aus der besseren Gesellschaft war, welches ohne den Gemahl oder den Verlobten noch nicht einmal Tee nachzuschenken wagte!
    Kates Ärger half ihr ungemein, ihre trübe Stimmung zu verdrängen. Sie schob sich zwischen den Massen von Reisenden hindurch, um zu ihrem Dampfkutter zurückzukehren. Sie hatte den Drehflügler in einer Gasse direkt östlich von Waterloo Station abgestellt. Kates Laune besserte sich schlagartig, als sie die eisernen Drehflügel und den schlanken schwarzen Schornstein der Maschine von weitem erblickte.
    Obwohl sie den Flugapparat von ihrem Vater geerbt hatte und der Dampfkutter somit eines der ersten Luftfahrzeuge seiner Art war, hatte Kate die Maschine durch ständige Umbauten immer wieder auf den technisch neuesten Stand gebracht. Ihr neuer Heizer Li Fang wartete geduldig auf ihre Rückkehr.
    Nach dem schändlichen Verrat durch ihren früheren Mitarbeiter Mick O’Leary hatte Kate sich nach einem neuen Heizer umsehen müssen, der während des Fluges die Maschine befeuerte. Ihre Wahl war auf den jungen Chinesen gefallen. Er wirkte in seinem traditionellen blauen Anzug und der schwarzen Lackkappe sehr schmächtig, konnte aber klaglos Unmengen von Kohlen in die Kesselluke schaufeln. Sein geflochtener Chinesen-Zopf hing fast bis zum Gesäß hinunter. So lang wie der Haarschmuck schien Kates Meinung nach auch sein Geduldsfaden zu sein. Li Fangs gelassene, fast meditative Art bildete einen angenehmen Gegensatz zu Kates manchmal aufbrausendem
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