Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK

HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK

Titel: HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
Autoren: JOANNA MAITLAND
Vom Netzwerk:
umständlich, aufzustehen. Bis sie sich allerdings erhoben hatte, war Emma auf und davon.
    Während sie über den Rasen eilte, haderte Emma mit sich selbst. Wie hatte sie Hugo Stratton nicht erkennen können, den Mann, dessen spöttisches Lächeln sie monatelang in ihren Jungmädchenträumen verfolgt hatte?
    Die kleine Gruppe saß noch immer im Schatten des alten Baumes. Emma bemühte sich um eine damenhafte Haltung, und lächelnd verlangsamte sie ihren Schritt. Wie seltsam, dass sie einander wieder unter einer Eiche begegnen sollten, wenn es auch nicht dieselbe war. Als Kind war sie oft auf diese hier geklettert. Sie kannte sie beinahe so gut wie die bei ihr zu Hause.
    Und viel besser, als sie Hugo Stratton kannte.
    Was, um Himmels willen, sollte sie ihm sagen?
    Würde er sie überhaupt erkennen? Sie war inzwischen eine Dame und nicht mehr die kleine Göre, der er großzügigerweise gestattet hatte, ihn zu necken. Sie war noch ein Kind gewesen, als Hugo zur Armee ging. Eigentlich gab es keinen Grund, warum er sich überhaupt an sie erinnern sollte, insbesondere nicht, nachdem er so viel durchgemacht hatte. Und dennoch …
    Im Näherkommen sah sie, dass Dickon im Arm seines Vaters fest eingeschlafen war. Richard wirkte stolz, glücklich – und ein kleines bisschen selbstzufrieden. Hugo sprach leise mit ihm, den Rücken Emma zugewandt. Niemand schien sie zu bemerken.
    „Richard …“, begann sie.
    Richard, Earl of Hardinge, erhob sich mit einer einzigen Bewegung, ohne das Kind aufzuwecken. Er lächelte und bedeutete der Nanny, ihm den Sohn abzunehmen. Er schwieg, bis er ihr seine Last übergeben hatte, und auch dann flüsterte er nur.
    „Emma. Wie schön, dich so bald zu sehen. Ich hatte die Absicht, morgen bei dir vorzusprechen …“
    Richard verstummte, als Emma ihn umarmte und ihm einen herzlichen Kuss auf die Wange gab. „Ich konnte es nicht abwarten, euch beide zu sehen – nein, euch drei.“ Während sie sprach, wurde ihr bewusst, dass sie Hugo nicht eingeschlossen hatte – und dass er nicht aufgestanden war, um sie zu begrüßen. Erstaunt drehte sie sich um.
    Hugo versuchte sich zu erheben, indem er einen Ebenholzstock in den weichen Rasen stemmte, um seine schwachen Beine zu stützen. Er hielt den Kopf gesenkt, doch daran, wie sein Hals sich rötete, erkannte Emma, welche Mühe es ihn kostete. Offensichtlich war er schwer verwundet worden – Richard hatte ihn sogar für tot gehalten –, und noch immer hatte er sich nicht völlig erholt. Am besten tat sie, als wäre alles in bester Ordnung.
    Sie setzte ihr freundlichstes Lächeln auf und wartete, bis Hugo sicheren Stand hatte. Dann begann sie heiter: „Ich bin nicht sicher, ob Sie sich meiner entsinnen, Hugo, aber ich habe unsere letzte Begegnung keinesfalls vergessen. Ich schulde Ihnen große Dankbarkeit, weil Sie meine Anwesenheit einem gewissen gemeinsamen Freund nicht verraten haben …“ Sie lächelte Richard verschwörerisch zu. „Einem Freund, der das Wesen von Apfelgripsen nicht versteht.“
    „Ich erinnere mich sehr gut an Sie, Miss Fitzwilliam, und ich war Ihnen gern zu Diensten.“
    Seine Worte klangen leer und förmlich, und dass er ihren vollen Namen benutzte, empfand Emma wie einen Schlag. Sie wandte den Blick von Richard ab, um dem Gentleman in die Augen zu sehen, der ihre Freundschaft so leichtfertig zurückwies.
    Ein leiser Aufschrei entrang sich ihrer Kehle.
    Hugo Stratton hatte nichts mehr gemein mit dem Mann aus ihren Träumen. Den gut aussehenden, heiteren Offiziersanwärter, der sie in ihrer Lieblingseiche angelacht hatte, gab es nicht mehr. Der Hugo Stratton in der unübersehbar neuen Zivilkleidung war dünn und hager und so schwach, dass er nicht ohne den Stock auskam. In sein Antlitz waren tiefe Linien gekerbt, und es waren keine Lachfältchen, sondern Zeichen des Leides. Auf der rechten Gesichtshälfte, derer sie jetzt erst ansichtig wurde, verlief eine dünne rote Narbe von der Stirn bis zum Kinn, teilte seine Braue und reichte weiter bis in den Kragen hinein. Der Himmel allein mochte wissen, wie tief die Verletzung reichte, die unter ihr lag.
    Er hielt ihrem Blick stand. Und er lächelte nicht.
    Emma schluckte und neigte höflich den Kopf, verzweifelt bemüht, ihr Entsetzen zu verbergen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie wieder sprechen konnte. „Wie geht es Ihnen, Mr. Stratton?“

2. KAPITEL
    „Ich bin so froh, dass du Major Stratton bereits begegnet bist, Emma, denn er wird eine Weile bei uns bleiben – bis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher