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Höllensog

Höllensog

Titel: Höllensog
Autoren: Jason Dark
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Umgebung, in der auch Gregor seinen Platz gefunden hatte.
    Scharf saugte er den Atem an. Der Schweiß hatte die Schmutzkruste auf seinem Gesicht aufbrechen lassen. Er spürte ihn salzig und leicht brennend auf der Haut.
    Wie lange Gregor an diesem Platz gehockt hatte, wußte er nicht zu sagen. Er starrte nur nach vorn. Die Gedanken hatten ihm ein eigenes Gefängnis geschaffen, dem er nicht entfliehen konnte. Alles war anders geworden. Es hatte sich auf schreckliche Art und Weise verändert.
    Nichts war mehr so, wie er es noch gekannt hatte. Zwar zog sich das Wasser wieder zurück, um in den See einzutauchen, aber das kümmerte ihn nicht. Er hatte etwas Unwahrscheinliches und Unglaubliches gesehen, das ihm keiner abnehmen würde, wenn er es erzählte.
    Der Höllensog war entstanden, und er hatte sich seine Beute gnadenlos geholt.
    Die Bewohner eines großen Dorfes waren von ihm regelrecht eingepackt und weggeschafft worden.
    Wohin?
    Das war genau die Frage. Er wußte nicht, wohin all seine Bekannten, Verwandten und Freunde gebracht worden waren. In den See, in den Himmel, in den Tod?
    Alles war möglich, seit dieser verdammte Sog entstanden war und ein Dorf leergeräumt hatte. Gregor weinte, und er wußte, daß er nicht mehr an diesem Ort bleiben konnte.
    Er wollte nicht mehr auf den See schauen, der seinen Reiz für ihn verloren hatte. Für Gregor war er zu einer Untiefe des Todes geworden, wo Kräfte lauerten, gegen die er als Mensch nicht ankam.
    Das Wasser zog sich zurück. Der Schlamm aber blieb, wenn auch nicht mehr so hoch. Gregor sah die Bäume, er sah den dichten Schilfgürtel erscheinen, er sah seine normale Welt, die er kannte. Trotzdem war sie so anders geworden.
    Dann machte er sich auf den Heimweg.
    Eine traurige Gestalt…
    ***
    Gregor ging durch den Schlamm!
    Das Wasser hatte sich zum Großteil wieder zurückgezogen, aber sein Erbe hinterlassen.
    Eine graue, an der Oberfläche noch weiche Schicht, die unter jedem Tritt zusammensackte. Gregor watete durch den Schlamm. Es stank faulig.
    Dieser Geruch der Verwesung hing in der heißen Luft, die von keinem Windstoß bewegt wurde. Die Gegend war öde, leer und tot geworden.
    Die Menschen, die von der Viehzucht und dem Anbau von Mais gelebt hatten, würden nichts mehr anbauen können, und der Junge fragte sich schon jetzt, ob das Vieh überhaupt überlebt hatte oder längst eingegangen war. Er konnte es sich vorstellen, die Schweine und Rinder und Schafe waren zu einer schrecklichen Beute des Höllensogs geworden.
    Das Dorf auch?
    Hatte die Flutwelle die Kraft besessen, um auch die Häuser zu zerstören? Sie waren für die normalen Verhältnisse stabil gebaut worden, aber gegen derartige unnatürliche Naturgewalten kamen sie nicht an. Da wurden sie umgerissen, als hätte man sie einzig und allein aus Papier hergestellt.
    Der Tod hatte zugeschlagen. Aber es war ein anderer Tod gewesen, und Gregor verglich ihn auch nicht mit einer normalen Naturkatastrophe. Er ging durch den Schlamm. Er war barfuß. Jeder Schritt fiel ihm schwer, denn immer wieder sackte er in die dicke, graue und manchmal grüne Schicht bis zu den Knien ein.
    Er schaute nach vorn, das Gesicht bleich, die Lippen zusammengepreßt.
    Manchmal zuckte die Haut auf seinen Wangen, hin und wieder überlief auch ein Zittern seine schmutzige Gestalt.
    Er wischte über seine Augen, als er die ersten Häuser des Dorfes sah.
    Sie waren niedrig gebaut und verteilten sich rechts und links einer ungepflasterten Straße.
    Zäune, oft halb zerstört, rahmten irgendwelche Grundstücke und Gärten ein. Die Flut mußte sie vollends zerrissen haben, aber das war nicht der Fall.
    Gregor zwinkerte. Er blieb stehen, beschattete seine Augen und schaute auf den Ort.
    Die Häuser standen vor ihm wie immer. Auch die Zäune und niedrigen Mauern waren nicht zerstört worden. Es hatte sich nichts, aber auch gar nichts verändert. Alles war noch wie immer, aber eines erschreckte ihn trotzdem tief.
    Die Stille und die Leere.
    Nichts rührte sich mehr im Ort. Da lief kein Hund, da huschte kein Huhn über den Weg, keine Katze strich beutesuchend um die Hausecken, und Menschen waren erst recht nicht zu sehen.
    Im Haus rührte sich nichts.
    Eine bedrückende, nahezu perfekte Stille lag über dem kleinen Ort, und der junge Mann kam sich vor wie in der Fremde, wo die Welt von den Menschen verlassen worden war und sich niemand mehr aufhielt. Selbst die Tiere hatten es dort nicht mehr ausgehalten.
    Ein eisiger Wind erwischte ihn.
    Das
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