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Höllensog

Höllensog

Titel: Höllensog
Autoren: Jason Dark
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und vergrößerte noch seine Furcht.
    Etwas irritierte ihn so stark, daß er sein Vorhaben, den Platz zu verlassen und sich zum Dorf durchzuschlagen, aufgab. Statt dessen schaute er dorthin, wo einmal der See gelegen hatte, jetzt zwar ebenfalls vorhanden war, jedoch anders und unerklärbar.
    Da war etwas…
    Er konnte es nicht sehen, nur fühlen. Eine andere Kraft, ein mächtiges Etwas, das sich unsichtbar in dieser stickigen Luft aufhielt. Als hätten sich dort Seelen zusammengefunden, die aus dem Reich der Toten stammten, denn Gregor hörte ein Geräusch, das ihm die blanke Angst einjagte.
    Es war ein ungewöhnliches Jaulen. Ein gewaltiges, schrilles Pfeifen, das über das Land wehte. Der Mund eines Riesen schien in ein Gefäß hineinzublasen, das sich nach vorne hin verengte und zu einer hohlen Knochenpfeife wurde.
    Huuiii… huuuuiii…
    Geräusche, die der Junge noch nie gehört hatte. Wenn ihn nicht alles täuschte, waren sie besonders stark über dem See aufgeklungen, als hätte sich die Luft dort verdichtet.
    Das Heulen zerrte an seinen Nerven. Er bekam es mit der Angst zu tun.
    Der Schweiß auf seiner Stirn wurde dichter. Die Angst ließ ihn zittern. Er sah vor sich einen Ast schräg aus dem Wasser ragen, und an ihm klammerte sich Gregor fest. Diesen Halt brauchte er einfach, es gab keine andere Lösung. Das Heulen blieb.
    Unruhe entstand auf der Wasserfläche. Kleine Wellen bildeten sich, blieben aber begrenzt und liefen zu den verschiedenen Ufern hin weg.
    Die Wellen hatten zittrige Köpfe, sie sahen so grau aus wie der Himmel, der erst in der Nähe des weit hinten liegenden Uferstreifens einen anderen Farbton zeigte, denn dort sah er schwefelgelb aus, als würde sich an dieser Stelle wieder etwas zusammenbrauen.
    Die Furcht nagte in Gregor. Etwas kam. Ob es nun eine neue Flutwelle war, wußte er nicht. Aber sie war vorhanden, und sie glich noch einem gewaltigen Unhold, der durch die Luft schwebte wie ein mörderischer Geist.
    Es war unheimlich. Gregor zitterte. Der Schweiß rann über seinen Körper und zog Bahnen in den Schmutz. Das alles interessierte den Jungen nicht, er schaute weiter zum See hin, wo sich Dinge abspielten, die noch im Entstehen waren.
    War das ein Regenbogen?
    Zum erstenmal war er unsicher. Das sah so aus wie ein Regenbogen, aber es war keiner. Nur ein Strahl, der die Verbindung zwischen dem See und dem Himmel darstellte, sehr breit, blau und grau schimmernd, dabei leicht zitternd, über dem See stehend, aber der Junge glaubte fest daran, daß da einiges nicht mit rechten Dingen zuging. So etwas war nicht normal, da kam noch das dicke Ende nach, und er spürte, wie er ihm entgegenfieberte.
    Etwas passierte innerhalb des Strahls. Zuerst waren es nur Bewegungen, mehr nicht, aber sie verloren ihre Schwäche, und so konnte er erkennen, was sich dort tatsächlich tat.
    Da bewegten sich Menschen!
    Frauen, Männer und Kinder bildeten den Inhalt. Es war unbegreiflich und nicht zu fassen, aber sie befanden sich tatsächlich in diesem gewaltigen Wirbel, der nicht zu stoppen war und eine Verbindung zwischen dem See und dem Himmel darstellte.
    Sie gerieten in Bewegung, sie wurden durch den Sog in die Höhe gezerrt oder nach unten in den See geschoben. So genau konnte es der Zuschauer nicht erkennen, aber das Entsetzen kroch in ihn hinein wie der Schlamm, der ihn umgab.
    Furchtbar…
    Sie waren es. Die Menschen aus dem Ort! Und sie bildeten den Inhalt des Höllensogs, der mit ihnen machte, was er wollte. Jemand schrie.
    Es dauerte eine Weile, bis Gregor merkte, daß er es war, der geschrien hatte. Dieser Höllensog hielt alle erfaßt. Er zerrte und schleuderte die Menschen mit in seine Welt, er trieb sie hinein in die Schrecken der anderen Welten. Er war einfach nicht zu fassen und zu halten. Das Grauen hatte einen Namen bekommen und zeigte sich dem jungen Zuschauer.
    Sehr deutlich zeichnete sich der Strahl jetzt ab auf seinem Weg in die Höhe. Und ebenso deutlich war der Inhalt zu erkennen. Da hielten sich die Menschen an Händen und Beinen fest. Hände umklammerten Arme.
    Köpfe zuckten. Münder waren zu Schreien geöffnet. Die Menschen hielten sich gegenseitig fest, als wollten sie sich selbst den nötigen Halt geben, aber sie kamen gegen das Grauen nicht an, das sie überschwemmte. Der Schweif zerrte sie mit in eine Welt hinein, in die der Zeuge keinen Blick hatte.
    Wie der Schweif des Kometen, dachte er, und dann war der Höllensog verschwunden.
    Nichts mehr.
    Nur der See und die verschlammte
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