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Höllensog

Höllensog

Titel: Höllensog
Autoren: Jason Dark
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sein konnte.
    Es war ja Sommer – oder?
    Er hob den Kopf an.
    Etwas klebte an seinem Hals. Aber nicht nur dort, auch im Gesicht, an den Armen und Beinen, eigentlich überall, und diese Kälte verschwand auch nicht mehr.
    Sie war wie Leim…
    Nein, kein Leim, es war etwas anderes. Sie bedeckte auch seine Augen, die Hände ebenfalls, aber Gregor schaffte es nur mit Mühe, etwas zu erkennen. Gleichzeitig hatte er noch seinen Oberkörper etwas aufgerichtet, und er lauschte dem leisen Klatschen in seiner unmittelbaren Nähe.
    Wie Wasser, aber nur wie, denn es war kein Wasser, sondern – er wollte es kaum glauben – Schleim, Schlamm, Dreck, Erde, alles feucht und naß.
    Eine andere Welt war entstanden. Eine Zone, die völlig anders aussah.
    Wasser und Schlamm, Bäume, die ebenfalls überspült worden waren. Es gab kein sichtbares Schilf mehr, und Gregor spürte, daß unter ihm etwas wippte, als er sich leicht bewegte. Es fühlte sich an, als wäre er von einem Netz aufgefangen worden. Einem Netz, in dem sich der Schlamm ausgebreitet und für diese veränderte Welt gesorgt hatte. Er hatte für diese Mondlandschaft gesorgt, denn alles um Gregor herum war eben anders geworden.
    Er erkannte das Ufer nicht mehr wieder. Wo war es? Es hatte sich zurückgezogen, es war verändert, und der Junge fing damit an, in seiner Erinnerung herumzusuchen. Eine erste Rückblende gönnte er sich und fragte sich, was denn nun genau geschehen war. Oder befand er sich immer noch am Ufer oder schon wieder?
    Es strömten zu viele Gedanken durch seinen Kopf, als daß er sie hätte ordnen können. Die Büsche sah er nicht mehr, das Schilf auch nicht, und die niedrigen Bäume waren ebenfalls verschwunden, zumindest diejenigen, die als Krüppelhölzer galten.
    Was war noch da?
    Der Schlamm, das Wasser und natürlich die Erinnerung des sechzehnjährigen Jungen.
    Da war etwas vom Himmel gefallen. Mit rasender Geschwindigkeit hatte es die Erde getroffen. Ein Stein mit einem langen Schweif, ein Komet! Er war in den See eingeschlagen und hatte für die Wasser- und Schlammwelle gesorgt. Aus den Büchern hatte er gewußt, was passieren konnte, wenn ein Komet einschlug, und dies war eingetroffen.
    Zum Glück war es nicht zu der großen Katastrophe gekommen, denn nur ein kleiner Komet war herabgestürzt.
    Sein Boot gab es nicht mehr. Hauptsache war, daß er überlebt hatte.
    Der Himmel hatte sich bereits verändert. Er zeigte schon wieder ein fahles Blau, in dem auch die Sonne ihren Platz gefunden hatte und auf die Erde niederbrannte. Ihre Strahlen spiegelten sich in den zahlreichen Tümpeln, die sich auf der Oberfläche verteilten und als Erinnerung zurückgeblieben waren. Deshalb sahen die Oberflächen dieser kleinen Gewässer aus wie matt glänzende Augen.
    Und dann dachte er an sein Dorf, seine Heimat, nicht weit vom Seeufer entfernt. Er erinnerte sich an die Wucht des Wassers und konnte sich gut vorstellen, daß die Flutwelle auch das Dorf erreicht hatte. Das Dorf erreicht!
    Plötzlich wurde ihm bewußt, was da geschehen war. Trotz der Hitze kroch es ihm kalt über den Rücken. Es war ein Zeichen der Furcht, nicht nur seinetwegen. Es ging auch um die Menschen, die Bewohner, die er alle kannte, vom Kind angefangen bis hin zum Greis. Diese Gedanken stürmten auf ihn ein, sie veränderten ihn innerlich, und sie machten ihm Angst. Es war für ihn wie ein Stoß in den Magen, er fühlte sich übel, und eine schreckliche Vorstellung geisterte in ihm auf.
    Was war, wenn die Flutwelle den Ort erreicht hatte und alle Einwohner ertrunken waren?
    Dieser Gedanke war die logische Folge seiner Überlegungen, und jetzt spürte der Junge so etwas wie einen Schock. Er fing an zu zittern. Über seinen Rücken rann es kalt, das Eis umklammerte die Haut wie eine Schicht. Ihm wurde heiß und kalt zugleich. Der Schweiß drang ihm aus den Poren, und für einen Moment preßte er die Hände gegen sein Gesicht. Er ließ sie wieder sinken, schüttelte den Kopf, holte tief Luft und stellte fest, daß auch er sehr schmutzig war. Sein nackter Oberkörper war von einer grauen Schicht bedeckt. Schlamm, der unter den Strahlen der heißen Sonne getrocknet war.
    Ihm wurde schwindlig, und er schaute in die Ferne gegen einen imaginären Punkt, um sein Gleichgewicht wiederzugewinnen. Das klappte auch, aber den Gedanken an die Bewohner seines Dorfes wurde er trotzdem nicht los. Die Vorstellung, sie als Leichen unter der gewaltigen Schlammschicht zu finden, trieb ihm einen Klumpen in den Magen
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