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Hochzeit in St. George (German Edition)

Hochzeit in St. George (German Edition)

Titel: Hochzeit in St. George (German Edition)
Autoren: Sophia Farago
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schlimmen Rückfall zu verursachen.
    Hetty stand in ihrem Zimmer und betrachtete sich eingehend in dem mannshohen, in einen reichverzierten Holzrahmen gefaßten Spiegel.Ihre blonden Locken fielen in leichtem Schwung auf ihre Schultern. Die großen, blauen Augen, auf die sie selbst besonders stolz war, unterstrichen die Zartheit ihres schmalen Gesichts. Sie war wirklich hübsch. Und auch ihre Figur konnte sich sehen lassen. Hetty drehte und wendete sich, um sich in Ruhe von allen Seiten zu betrachten. Sie fand nichts, woran sie etwas auszusetzen gehabt hätte. Es war eine Schande, eine Schönheit wie sie auf dem Lande zu verstecken.
    Im Sommer, wenn die vornehme Gesellschaft nach Brighton übersiedelte, wenn das bunte Leben in den Straßen und Plätzen rund um den berühmten Royal Pavilion des Prinzregenten Einzug hielt, dann hatten ihre Verwandten jedes Jahr die Koffer gepackt. Sie waren mit ihrer Nichte nach Rye gefahren, um auf dem Landsitz von Onkels Bruder James den Sommer zu verbringen. Das Haus in der Marine Parade in Brighton wurde zu einem ansehnlichen Betrag stets an dieselbe Londoner Adelsfamilie vermietet. Das so verdiente Geld wurde den bereits angesammelten Ersparnissen dazugeschlagen. Ausgegeben wurde nur das Nötigste. Und so war Hettys Garderobe nicht so umfangreich, wie sie es sich gewünscht hätte. Wenn sie auch zugeben mußte, daß sie eine Reihe ganz reizender Tageskleider besaß und das neue Reitkleid im Husarenstil mit Epauletten an den Schultern sogar in der Hauptstadt einen guten Eindruck machen würde.
    Letzten Winter, als Großmutter, die Mutter ihrer leider so früh dahingegangenen Mama, in Rampstade Palace gestorben war und ihr Bruder George mit einem Male unermeßlich reich geworden war, da hatte sie erwartet, George würde sie zu sich einladen. Er und seine Frau Henrietta, die wie sie selbst Hetty gerufen wurde, würden sie in die Gesellschaft einführen. Aber nichts dergleichen war geschehen. Es war ja wirklich ein dummer Zufall, daß sie einen Tag bevor sie zu Großmutters Beerdigung abreisen sollte, an Masern erkrankte. Sicher hätte sie George überreden können, ihr Debüt in der Hauptstadt zu geben, wenn sie ihm erst einmal persönlich gegenübergestanden wäre. Aber so war das unmöglich gewesen. Und die Briefe, die sie ihm in sein neues Zuhause nach Rampstade Palace geschickt hatte, waren unbeantwortet geblieben.
    Typisch George. Ein freundlicher, liebenswerter Mensch, aber viel zu egoistisch, um an die Zukunft seiner Schwester zu denken. Und schreibfaul war er überdies. Es blieb ihr nichts anderes übrig: siemußte mit George sprechen. Sicher hielt er sich zur Zeit, zu Beginn der Saison, im Haus, das er von Großmutter geerbt hatte, am Londoner Grosvenor Square auf. Dorthin mußte sie gelangen. George würde es nicht übers Herz bringen, sie zurückzuschicken. Vor ihrem geistigen Auge erschien ihr Ebenbild in all den bezaubernden Abendroben, die ihr Bruder für sie schneidern lassen würde. Mit all den atemberaubenden Hutkreationen, umringt von einer nicht enden wollenden Schar von Verehrern. Hetty wandte sich energisch vom Spiegel ab. Sie würde nicht länger hoffen und träumen. Sie würde ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.
    Mit raschen Schritten war sie bei ihrer Kommode und nahm eine prall gefüllte Ledermappe aus der obersten Schublade. Erst gestern hatte sie durch Zufall in einer der Lanes, einem der hübschen Gäßchen des Ortes, ein Schreibwarengeschäft entdeckt, das eben das Büttenpapier mit dem zarten Goldrand führte, das George verwendet hatte, um ihr und ihren Verwandten den Tod der Großmutter mitzuteilen. Sie hatte einen Bogen davon besorgt. Nun mußte sie sich nur noch bemühen, die Schrift so zu verstellen, daß sie der ihres Bruders ähnlich war. Hetty holte sein letztes Schreiben hervor und begann mit trockener Feder die Schriftzüge nachzuvollziehen. Das erschien ihr nicht weiter schwierig. Zum Glück hatte sie den Briefumschlag aufgehoben. So konnte sie den Eindruck vermitteln, als sei ihr Schreiben tatsächlich aus London gekommen. Sollte es ihr Onkel seltsam finden, daß das Kuvert, obwohl an ihn gerichtet, bereits geöffnet war, so würde sie dies damit entschuldigen, daß sie so gespannt gewesen sei, was George schrieb, daß sie, ohne nachzudenken, den Umschlag geöffnet habe. Sicher würde ihr Onkel diese Neugierde verzeihen. Wenn er es überhaupt bemerkte. Soweit war der Plan perfekt.
    Schwieriger würde es allerdings werden, ihre Tante davon
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