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Historical Band 298

Historical Band 298

Titel: Historical Band 298
Autoren: Blythe Gifford Terri Brisbin
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graziös, anschmiegsam und geschickt in allem.
    Sie war all das, was Jane nicht war.
    Ihre eigenen Hände waren breit und grob. Und die kurzen, dicken Finger waren nur deswegen heute sauber und rochen nicht nach Pferd, weil die Amme darauf bestanden hatte, dass alle in der Geburtskammer gewaschene Hände haben mussten.
    Sie drückte Solays Hand. „Geht es dir gut?“
    „Die Schmerzen sind erträglich“, antwortete ihre Schwester und lächelte schwach. „Ich befürchte nur, du wirst deinen künftigen Gatten ohne mich begrüßen müssen.“
    Gatten. Ein Fremder, der über ihr Leben bestimmen würde. Sie hatte ganz vergessen, dass er noch in diesem Monat erwartet wurde.
    Sie hatte es verdrängt.
    „Ich will nicht heiraten.“ Ein Gatte würde erwarten, dass sie wie Solay oder wie ihre Mutter war, dass sie über all diese Sachen Bescheid wusste, die ihr fremder waren als Latein.
    Solay drückte mitfühlend ihre Hand. „Ich weiß. Aber du bist siebzehn. Es wird mehr als Zeit.“
    Jane verzog missmutig das Gesicht, und Solay kniff ihr leicht in die Unterlippe. „Schau dich an! Ein Vogel könnte sich ja auf diese Lippe setzen.“ Sie seufzte. „Lern den Mann wenigstens einmal kennen. Justin hat ihm erzählt, du wärst …“
    Anders. Sie war anders.
    „Weiß er, dass ich gerne reisen und die Welt kennenlernen möchte? Und dass ich Latein lesen kann?“
    Solays Lächeln schwand. „Er ist Kaufmann, und deshalb kannst du vielleicht Dinge tun, welche die Gattin eines Edelmanns nicht tun kann. Aber vielleicht ist dir das bald alles schon nicht mehr so wichtig.“
    „Das hast du früher auch schon zu mir gesagt.“ Als ob die Ehe sie in ein seltsames, nicht wiederzuerkennendes Wesen verwandeln würde!
    „Ich verspreche dir, wir werden dich zu nichts zwingen, wenn er dir nicht gefällt. Justin und ich möchten nur, dass du genauso glücklich wirst wie wir.“
    Jane presste Solays Hand an ihre Wange. „Ich weiß.“ Ein unmöglicher Wunsch. Sie würde nie wie ihre schöne Schwester sein, die sich alle Mühe gab, sie zu verstehen, auch wenn es ihr nicht wirklich gelang.
    Erschöpft zog Solay ihre Hand fort und zupfte an Janes kurzem blonden Haar. „Ich wünschte, du hättest dir die Haare nicht abgeschnitten. Männer bewundern lange blonde Locken, und du –“ Ihr Gesicht erstarrte plötzlich. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie an sich herunter. „Es … ich bin … da unten ist alles nass!“
    Jane saß einen Augenblick lang nur regungslos da. Dann rannte sie zur Tür und riss den Vorhang zur Seite. „Mutter!“
    Ihre Mutter, die gähnende Amme und eine Dienerin, die das Linnen trug, hatten gerade die letzte Stufe der Treppe erreicht und rannten jetzt die wenigen Schritte in die Kammer.
    Die Amme legte Solay eine Hand auf die Stirn. „Wie viele Wehen hatte sie, während ich weg war?“
    Beschämt schlug Jane die Augen nieder. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, sie zu zählen. „Ich weiß nicht.“
    Die Amme schlug die Decke zurück. Das Bett war nasser, als es von dem verschütteten Wasser sein konnte.
    Und es war rot.
    „Mutter!“ Sie brachte das Wort kaum heraus. „Sieh doch!“ Es klang wie ein Schrei.
    „Ich sehe es, Jane.“ Ihre Mutter warf ihr einen warnenden Blick zu.
    Mit großen Augen sah Solay sie an. „Mutter? Was geschieht jetzt?“
    „Still. Alles ist gut.“ Die Mutter tätschelte Solay beruhigend und küsste sie auf die Stirn.
    Jane wich hilflos zurück. Wie konnte sie nur so ruhig und gelassen bleiben? Woher wusste sie, was zu tun war?
    Ihre Schwester konnte jeden Augenblick sterben, während Jane nichts tun konnte. Sie war so nutzlos.
    Ich kann nicht. Sie hörte nur noch diesen Schrei in ihrem Kopf. Ich kann nicht.
    Und als ihre Schwester jetzt auch noch einen Schrei ausstieß, rannte Jane einfach los.
    Sie rannte, aber die Schreie verfolgten sie.
    Sie folgten ihr, als sie die Kammer verließ und in ihre eigene rannte. Dort riss sie sich das Kleid herunter, umwickelte ihre Brüste, schlüpfte in Beinlinge und Tunika und warf sich einen Mantel um.
    Die Schreie hörten nicht auf. Ohne Unterlass verfolgten sie Jane, als sie durchs Burgtor hinaus auf die Straße rannte. Als würde das Kind sich mit Krallen seinen Weg aus dem Leib ihrer Schwester kratzen.
    Jane hörte erst auf zu rennen, als sie erkannte, dass die Schreie nur noch in ihrem Kopf widerhallten.
    Niemand hatte sie fortlaufen sehen. Und erst jetzt, da sie die Burg hinter sich ließ, ihre Brüste flach gebunden waren und sie
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