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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder
Autoren: Rebecca Gablé
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auswendig.«
    »Er hält euch die Messe ?«
    Losian nickte. King Edmund, so absonderlich er auch sein mochte, war kein schlechter Seelsorger. Aber das würde der Junge schon noch selbst herausfinden. Wie so vieles andere auch. »Komm. Die anderen brennen sicher schon darauf, dich in Augenschein zu nehmen.«
    »Das fehlt mir noch«, brummte Simon unwillig.
    Losian stand auf und sah auf ihn hinab. »Das Leben hier ist eintönig. Ein neues Gesicht ist eine große Attraktion. Ich glaube, heute sind die Zwillinge an der Reihe, das Essen zu kochen. Das heißt, heute ist ein guter Tag. Lass uns gehen, Simon de Clare, sonst ist nichts mehr übrig.« Er warf sich einen schäbigen, vielfach ausgebesserten Mantel über die Schultern, der ihm nachts als zusätzliche Decke diente, und trat in den dämmrigen Winternachmittag hinaus. Simon folgte ihm zögernd. Während sie den Burghof durchquerten, begann es zu nieseln.
    Beim Anblick der Zwillinge fuhr Simon der Schreck in die Glieder: Sie waren an der Hüfte zusammengewachsen. Zwei flachsblonde Angelsachsen, die sich wahrhaftig glichen wie ein Ei dem anderen. Sie waren vielleicht drei Jahre älter als er selbst, und sie bewegten sich zusammen mit einer Geschmeidigkeit und Mühelosigkeit, als sei es nur ein Wille, der ihre Glieder lenkte.
    »Godric und Wulfric«, stellte Losian vor. »Und dies ist Simon de Clare.«
    »Da hol mich doch der …« Godric sah über die Schulter, um festzustellen, ob King Edmund in der Nähe war, ehe er fortfuhr: »Teufel. Ein echter normannischer Edelmann.« Jeder der Zwillinge drosch Simon auf eine Schulter, sodass er fast in die Knie ging, und sie sagten wie aus einem Munde: »Willkommen, Simon.«
    »Danke.« Er erwiderte ihr breites Grinsen, auch wenn es sich seltsam anfühlte an diesem Ort des Schreckens.
    »Es gibt Hafergrütze«, verkündete Wulfric.
    »Ich hoffe, das ist nach deinem Geschmack, denn hier gibt es praktisch immer Hafergrütze«, fügte Godric hinzu.
    »Ich bin ganz versessen darauf«, log Simon mit Inbrunst.
    Sie lachten. Aus dem Augenwinkel sah Simon Losian neben der Tür an der Wand lehnen. Er hatte die Arme verschränkt und beobachtete sie mit undurchschaubarer Miene.
    Das ehemalige Backhaus verfügte neben dem verfallenen Ofen über einen kleinen Herd. Ein Kessel hing über dem Feuer. Simon wärmte sich dankbar die Hände und warf einen Blick auf die blubbernde, gräuliche Grütze. In einem unordentlichen Kreis standen Schemel und umgedrehte Holzkisten um den Herd. Simon zählte verstohlen: sechzehn. »Ich sollte mir einen Stuhl besorgen«, murmelte er und sah sich ratlos um, als hoffe er, ein Schemel werde vom Himmel fallen.
    »Nein, nein, wir haben schon einen für dich geholt, als King Edmund uns vorhin erzählte, dass du angekommen bist.«
    »Aber ich dachte, wir sind siebzehn«, wandte Simon mit einer Geste auf die zusammengewürfelten Sitzmöbel ein.
    Die Zwillinge nickten. »Mit Regy. Der isst allein«, erklärte Godric, seine Miene plötzlich grimmig.
    »Warum?«, fragte Simon.
    Wulfric sah vorwurfsvoll zu Losian hinüber. »Du hast ihm nichts von Regy erzählt, was?«
    »Ich fand, es musste nicht gleich heute sein«, gab Losian achselzuckend zurück.
    »Na ja, das ist wahr«, räumte Godric ein. Während er sich über den Topf beugte und rührte, bückte sein Bruder sich noch ein bisschen tiefer und hob einen Stapel Holzschalen vom Boden auf. Gleichzeitig richteten sie sich wieder auf. Simon beobachtete sie fasziniert.
    Das entging den Zwillingen nicht. »Es kommt mit der lebenslangen Übung«, erklärte Wulfric. »Das Einzige, worüber ich mir früher oft Sorgen gemacht hab, war, wie es gehen sollte, wenn einer von uns mal heiraten will. Du weißt schon, was ich meine. Es gibt Dinge, bei denen man seinen Bruder einfach nicht gebrauchen kann. Aber das hat sich ja nun erledigt«, schloss er. »So sorgt der Herr für uns, Simon de Clare. Ah, und da kommen die anderen.«
    Ein Dutzend Männer und Knaben betraten allein oder zu zweit das kleine Küchenhaus. Der Erste war ein rotwangiger alter Bauer namens Luke, der Simon mit großer Herzlichkeit begrüßte und ihm anvertraute, dass eine Schlange in seinem Bauch wohne. An guten Tagen rolle sie sich zusammen und schlafe, an schlechten Tagen drohe sie, ihn von innen zu zerfleischen, wenn er sich auch nur einen Zoll rühre. Dann müsse er mucksmäuschenstill sitzen.
    Aha, machte Simon.
    Ein rothaariger Junge, dessen Gesicht und Arme von Sommersprossen übersät waren, kam als
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