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Hinterhalt

Titel: Hinterhalt
Autoren: Garry Disher
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schwoll an. Er zog die Nadel wieder heraus, presste einen Finger auf die Einstichstelle und stützte sein Kinn in die linke Hand.
    »Es dauert nicht lange.«
    Einen Augenblick später begann Mostyns Blick zu flackern und sein Oberkörper schwankte leicht, dann fiel der Kopf zur Seite und Schultern und Arme wurden schlaff. Wyatt stieß ihn an. Mostyn sank auf dem Bett zusammen.
    Wyatt öffnete Mostyns Brieftasche. Er fand mehrere Kreditkarten, einen Führerschein und einen Ausweis, der besagte, dass Mostyn eine Lizenz als Privatdetektiv im Bundesstaat Victoria besaß. Außerdem fand er zweihundert Dollar in bar. Klasse, von dreihunderttausend zu zwanzigtausend und jetzt zweihundert Dollar, dachte Wyatt und steckte das Geld ein.
    Es war Zeit abzuhauen. Das Zimmer hatte er im Voraus bezahlt, also würde ihn keiner vermissen und die Cops rufen, wenn er morgen früh verschwunden war. Er rechnete auch nicht damit, dass Whitney zurückkam. Wenn jedoch die Putzkolonne Mostyn am Morgen fände, würde man die Polizei alarmieren. Das hier war eine ziemlich entlegene Gegend, nur wenige Straßen führten hier weg. Wussten sie erst einmal, dass er hier gewesen war, würden sie ihn binnen kürzester Zeit stellen.
    Er hatte keine Wahl, er musste Mostyn loswerden. Neben dem Motel war eine durchgehend geöffnete Tankstelle mit einer Raststätte. Auch während der Nacht schoben sich dort schwere Trucks rein und raus. Wyatt nahm den Hinterausgang, Mostyns schlaffe Gestalt über der Schulter. Es war einfacher, als er erwartet hatte. Ein Autotransporter, der nach Adelaide fuhr, stand an einer spärlich beleuchteten Stelle des Parkplatzes, fünf Honda Legends auf der Laderampe. Einer bequemen Schlafwagenreise auf dem Rücksitz eines der Hondas stand Mostyn nichts mehr im Wege.
    Wyatt machte sich zu Fuß auf den Weg in die Ortschaft. Die Nacht war stockdunkel, Wolken verdeckten den Mond und scharfe Windböen trieben ihr Spiel mit der einsam leuchtenden Ampel über der Kreuzung. Es war Samstagnacht, doch hier gingen die Bewohner früh zu Bett. Gegenüber des von Taubendreck übersäten Kriegerdenkmals, einem Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg mit aufgepflanztem Bajonett, befand sich der Fuhrpark der Kreisverwaltung. Die Fahrzeuge standen auf einem Hof hinter dem Verwaltungsgebäude. Wyatt entschied sich für einen Falcon-Pick-up. Vor Montag früh würde den keiner vermissen. Wenn überhaupt.

    ZWEI

    Er fuhr Richtung Osten, erst durch Kiefernwälder, dann durch Farmland. Hier und da rissen lautlose Winde die Wolkendecke auf und er konnte das Meer im Mondlicht schimmern sehen. Nahe der Fischerdörfer bohrten sich schmale Molen wie Stacheln in die silbernen Fluten. Die Nacht und die Straße zogen sich endlos hin und das nährte in Wyatt ein Gefühl des Losgelöstseins, als wäre er nicht mehr Gast in seinem Körper, sondern schwebe neben ihm.
    Einige Stunden zuvor war er flexibel gewesen, mobil, ausgerüstet mit Technik — Waffe, Funkabhörgerät, Handy. Er hatte auch genug Geld besessen, um ein paar Monate unterzutauchen oder einen Schlag gegen die Mesics zu finanzieren, die nun statt seiner das Geld aus dem Lohngeldraub hatten, der so richtig in den roten Sand der Dreckswüste Südaustraliens gesetzt worden war. Und jetzt? Jetzt besaß er zweihundert Dollar, ein paar Dietriche und an Kleidung nur das, was er am Leibe trug.
    Er fuhr durch Portland und Warrnambool, Städte mit Banken und Bausparkassen. Ein anderes Mal. In Melbourne würde sich etwas finden lassen, dort hatte er Kontakte, wenn nicht sogar Freunde. Nur ein Vollidiot würde eine Bank knacken, des Nachts, allein und völlig unvorbereitet.
    Das Licht der Scheinwerfer zerrte ihn über die Erdkrümmung, und so etwas wie Angst machte sich in ihm breit. Alleinsein war sein natürlicher Zustand. Er erledigte alles auf diese Weise, insbesondere die Planung eines Jobs. Fern des Aufhebens, das andere von sich machten, in Schweigen gehüllt, konnte er sich erfolgreich entfalten. Er fühlte sich nie einsam, Einsamkeit war nur eine Illusion. All diese Dinge waren ihm bekannt, dennoch, in diesem durch die Dunkelheit der Ebene gleitenden Pick-up fühlte er, wie ihm die Verbindung zur Welt abhanden kam. Es war nicht das erste Mal, dass er vor dem Nichts stand, dass er gezwungen war, wieder ganz von vorn anzufangen, gezwungen war, einen finanziellen Grundstock anzulegen und ein neues Zuhause zu finden. Doch dieses Mal schien es eine gewaltige Aufgabe zu sein. Er ertappte sich bei dem Gedanken,
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