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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot
Autoren: Karen Chance
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konzentrierte sich. »Mindestens ein Jahrzehnt, vielleicht noch länger. Und mit Jahrzehnte meine ich nicht nur zehn Jahre. Bei solchen Zaubern misst man die Dauer in Prozent von deinem Leben. Du bist wie alt, Anfang zwanzig?«
    »Morgen werde ich vierundzwanzig.«
    Casanova zuckte mit den Schultern. »Na bitte. Seit fast deinem halben Leben gehörst du jemandem.«
    Erneut schoss mir das Blut ins Gesicht. »Ich gehöre niemandem«, sagte ich mit fester Stimme, aber Casanova blieb unbeeindruckt.
    »Was macht dieser
Geis
sonst noch, abgesehen davon, andere Leute zu warnen?«
    Kurz darauf wünschte ich mir, diese Frage nicht gestellt zu haben. »Der
Düthracht-Geis
ist eine starke magische Verbindung, eine der stärksten. Im Mittelalter setzten ihn misstrauische Magier mit nichtmagischen Frauen als eine Art Ersatz für den Keuschheitsgürtel ein. Wie ich hörte, hat man ihn auch bei arrangierten Ehen verwendet, um die anfängliche Verlegenheit zu überwinden.«
    Casanova überlegte, bevor er fortfuhr: »Von wem auch immer der Zauber in deinem Fall stammt … Er kennt dadurch deine Gefühle – deine wahren, jene, die du zu verbergen suchst –, und deshalb kannst du ihn nicht belügen. Außerdem bekommt er eine ungefähre Vorstellung davon, wo du dich befindest. Deinen genauen Aufenthaltsort kennt er nicht, aber er weiß, in welcher Stadt du bist, vielleicht sogar in welchem Viertel Es gab da einen arroganten Burschen, der behauptet hatte, mich mithilfe des Senatsgeheimdienstes gefunden zu haben. Vielleicht stimmte das, aber offenbar steckte noch mehr dahinter. Ich fragte mich, bei wie vielen anderen Gelegenheiten er mir nur einen Teil der Wahrheit gesagt hatte. Und zu guter Letzt: Der
Geis
macht die beiden Beteiligten attraktiv füreinander. Mit jedem Treffen fühlen sie sich mehr zueinander hingezogen, bis du schließlich nicht mehr auf Distanz bleiben kannst.« Es lief mir kalt über den Rücken. »Dann ist nichts von dem echt, was ich fühle.« Ich wusste, wer dafür verantwortlich war, und ich hätte nicht gedacht, dass er so tief sinken würde. Zweifellos war ihm klar, was ich von der Manipulation meiner Gefühle halten würde.
    Der Name des arroganten Burschen lautete Mircea, ein fünfhundert Jahre alter Vampir, dessen größter Ruhm darin bestand, Draculas älterer Bruder zu sein. Er war auch meine erste große Liebe, als Kind unter Antonios Betreuung schon. Sein Familienname hatte mich ebenso wenig gestört wie der Umstand, dass er ein Meister der ersten Stufe und Mitglied des Senats war. Mich hatten viel zu sehr die Lachfalten in den Winkeln seiner dunkelbraunen Augen fasziniert, das über die breiten Schultern hinwegreichende mahagonifarbene Haar und der perfekte Mund – ich kannte noch immer keinen sinnlicheren. Mircea hatte viele Titel, und einer von ihnen lautete »Herr« – so nannte ihn Tony. Das hätte mir eigentlich genügen sollen, um schon viel früher an der Aufrichtigkeit in jenem attraktiven Gesicht zu zweifeln. »Der
Geis
schafft keine Gefühle«, entgegnete Casanova. »Er ist kein Liebeszauber und kann nur verstärken, was bereits existiert. Deshalb erscheint es mir seltsam, dass ihn jemand bei dir verwendet hat, als du wie alt warst? Elf oder zwölf?«
    Ich nickte benommen, aber die Wahrheit lautete: Ich fand es gar nicht seltsam. Meine Mutter war Erbin des Pythia-Throns gewesen, bevor sie beschlossen hatte, mit meinem Vater durchzubrennen. Ihre Enterbung hatte meine Thronfolgechancen nicht beeinträchtigt, denn es war nicht die alte Pythia, die über die neue entschied. Die endgültige Auswahl wurde von der Macht des Amtes selbst getroffen. Bis auf einige wenige Ausnahmen im Lauf von Jahrtausenden hatte sie die vorgesehene Erbin gewählt, vorbereitet von der alten Pythia. Mircea war sicher gewesen, dass ich eine der Ausnahmen sein würde; er hatte keine Mühen gescheut, um sicherzustellen, dass ich noch qualifiziert war, wenn der Moment kam.
    Aus Gründen, die ich nicht ganz verstand, musste die Erbin bis zum Nachfolgeritual keusch bleiben, und Mircea hatte nicht riskieren wollen, dass mich eine jugendliche Vernarrtheit aus dem Rennen warf. Ein echter Mistkerl.
    »Du hast gesagt, der Zauber verstärkt Emotionen.« Ich dachte an meine erste Begegnung als Erwachsene mit Mircea. »Nur meine?« Als ich Mircea das letzte Mal gesehen hatte, war er mir nicht völlig uninteressiert erschienen, aber es war schwer, sicher zu sein. Die meisten Vampire waren ausgezeichnete Lügner, und er war die
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