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Hinreißend untot

Hinreißend untot

Titel: Hinreißend untot
Autoren: Karen Chance
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entsprach. Mit Männerkleidung kannte ich mich nicht besonders gut aus, aber die safrangelbe Krawatte sah teuer aus, ebenso die goldene Uhr und die dazu passenden Manschettenknöpfe. Casanova hatte einen erlesenen Geschmack, und er wurde von Tony bestimmt nicht überbezahlt – Großzügigkeit gehörte nicht zu Tonys Charaktereigenschaften.
    Er sah sich sehnsüchtig um. »Was gäbe ich für eine Renovierung«, sagte er. »Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist, die Gäste an diese Umgebung zu gewöhnen?« Ich verstand, was er meinte. Die Düsternis einer Opiumhöhle, die Bar gestaltet wie ein Drachenkopf, mit Dampf, der gelegentlich aus den Gipsnüstern zischte … In einer solchen Umgebung blieb für Romantik kaum Platz. »Meine Jungs müssen doppelt so hart arbeiten wie sonst. Letzten Monat habe ich einen Rohrbruch arrangiert, um einen Vorwand zu haben, das Foyer auseinander zu nehmen, aber es gibt so viel zu tun, und ich habe noch nicht einmal mit dem Eingang begonnen. Er schreckt die meisten potenziellen Gäste ab, noch bevor sie die Tür erreichen.«
    »Also hilf mir.« Er schüttelte reumütig den Kopf, und ein wenig Rauch kam aus seinem Mund, als er seufzte. »Geht nicht,
Chica.
Tony ruiniert mich, wenn er dahinter kommt. Ich müsste mir einen neuen Körper suchen, nachdem er diesen vernichtet hat, und inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.« Klar, dass Casanova ihn nicht riskieren wollte. Vernünftiger war es, am Rand des Geschehens darauf zu warten, wer gewann – Vernunft dieser Art gehörte praktisch zu den Hauptmerkmalen von Vampiren. Mir stand diese Möglichkeit leider nicht zur Verfügung.
    Das Vermächtnis einer exzentrischen Seherin hatte mich zur Pythia gemacht – so lautete der Titel der besten Hellseherin auf der ganzen Welt. Agnes’ Geschenk ging mit ziemlich viel Macht einher, die alle entweder für sich oder aber neutralisiert wissen wollten. Derzeit klebte sie an mir, weil die Seherin dummerweise gestorben war, bevor ich herausfinden konnte, wie man die Macht zurückgab. Ich hoffte, sie auf jemand anders übertragen zu können, vorausgesetzt ich blieb lange genug am Leben, was nicht leicht sein würde, weil: Tony wollte mich tot sehen, der Vampirsenat hatte mich auf dem Kieker, und außerdem war es mir auch noch gelungen, die Magier und ihren Silbernen Kreis zu verärgern. In dieser Hinsicht hatte ich in kurzer Zeit viel erreicht.
    »Tony wird sich nicht gegen die sechs Vampirsenate durchsetzen«, sagte ich. »Sie sind durch Vereinbarungen gegenseitig verpflichtet, auf der ganzen Welt. Wenn einer Jagd auf ihn macht jagen ihn alle. Früher oder später erwischen sie ihn, und dann gibt er die Schuld für das, was geschehen ist, jemand anders. Sie werden ihn trotzdem vernichten, aber ich wette, zuvor belastet er dich und viele andere. Wenn du mir hilfst, finde ich ihn vielleicht, bevor das passiert.«
    Casanova musterte mich, während er seine Zigarette in einem schwarz lackierten Aschenbecher ausdrückte. Der Blick seiner dunklen Augen wanderte über mein Kostüm, und die Lippen deuteten ein Lächeln an. »Es heißt, du bist jetzt die Pythia«, sagte er schließlich, und seine langen Finger strichen mir über den Handrücken. »Kannst du nicht deine besonderen Fähigkeiten benutzen, um mit dieser Sache fertig zu werden? Es würde mir viel bedeuten.« Dort, wo er mich berührte, fühlte sich meine Haut wärmer an, und diese Wärme breitete sich im ganzen Arm aus. Seine Stimme wurde eine Oktave tiefer und rau. »Ich wäre dir ein sehr guter Freund, Cassie.« Er hob meine Hand und drehte sie, strich mit einem Finger über die Innenfläche. Ich wollte eine sarkastische Bemerkung über meine »besonderen Fähigkeiten« machen, als Casanova den Kopf senkte. Seine Lippen folgten der Linie, die er gerade mit dem Finger gezogen hatte; seidenweich waren sie, und doch fühlte es sich an, als hinterließen sie eine Brandspur. Ich vergaß, was ich sagen wollte. Unter dunklen Wimpern hinweg sah er mich an, und ich gewann den Eindruck, in das Gesicht eines geheimnisvollen Fremden zu sehen, dessen Augen eine hypnotische Wirkung hatten. Man sagte, dass es nur einen Unterschied zwischen Don Juan und Casanova gab, den beiden besten Liebhabern der Welt: Wenn Don Juan Beziehungen beendete, hassten ihn die Frauen, doch Casanova bewunderten sie noch immer. Mir wurde allmählich der Grund dafür klar. Ich zog meine Hand zurück, bevor sie auf die Idee kommen konnte, ihn zu packen und über den Tisch zu ziehen.
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