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Himmel uber Langani

Himmel uber Langani

Titel: Himmel uber Langani
Autoren: Barbara und Stefanie Keating
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Alter unnatürlich hart, und wenn diese Fassade eines Tages zerbräche, würde das verheerende Folgen haben. Sarah wünschte, sie hätte ebenfalls eine so harte Schale mitbekommen.
    Sie sah zu dem sich verdunkelnden Himmel hinauf. Wenn nach dem Tee jemand losgeschickt würde, um sie zu suchen, würde sie in großen Schwierigkeiten stecken. Das konnte ebenso schlimm werden wie an dem Tag, als sie eine Ringelnatter gefunden und im Klassenzimmer freigelassen hatte. Hannah van der Beer hatte sie verraten. Sie hatte zu Sarah hinübergesehen und die Hand vor ihren breiten, lachenden Mund geschlagen, als Schwester Evangelis kreischend von ihrem Stuhl aufgesprungen war. Hannah mit ihrem dichten flachsfarbenen Haar, der lauten Stimme und dem breiten Akzent. Insgeheim beneidete Sarah das afrikaanse Mädchen um ihre überhebliche Art. In ihrer Gegenwart bekam man Minderwertigkeitskomplexe und fühlte sich wie ein Schwächling. Die Buren, hatte ihr ihre Mutter erklärt, waren Menschen holländischer Abstammung aus Südafrika. Sie waren zur Jahrhundertwende hergekommen, mit ihren Planwagen bis in das Hochland Kenias gezogen und hatten dort im Buschland ihre Farmen angelegt.
    Sarahs Gedanken schweiften ab, als sie in der Ferne eine Staubwolke entdeckte. Ein Auto näherte sich. Ihre Aufregung wuchs zu einem überwältigenden Glücksgefühl, als der Wagen, ein Komet mit einem Schweif aus Staub, in Sichtweite kam. Ja! Der graue Mercedes verlangsamte die Fahrt und bog in die Auffahrt ein. Ihr Gesicht strahlte, ihre Augen glänzten. Sie breitete die Arme aus, als sie ihrer Mutter entgegenlief. Sie hatte die Stunden gezählt, die die Fahrt von Nairobi hierher dauern würde, wo Betty Mackay die letzte Nacht verbracht hatte. Die Schule lag auf halbem Weg zwischen ihrem Zuhause an der Küste und der Hauptstadt Ugandas, wo ihr Vater Raphael an einer Ärztekonferenz teilnahm. Sarah hatte die Erlaubnis erhalten, zwei Nächte bei ihrer Mutter im Country Club zu verbringen und wie eine Tagesschülerin morgens zur Schule zu kommen. Genau wie Hannah van der Beer.
    »Mum! Mum!«, rief sie ihrer Mutter zu. Der Wagen hielt. Die Tür öffnete sich, und jemand stieg aus. Sarah blieb verwirrt stehen. Das war nicht ihre Mutter.
    »Mum?« Die Sonne blendete sie, und sie konnte nicht erkennen, wer diese Person war. Die Stimme, die ihr antwortete, war von dem breiten Akzent Südafrikas gefärbt.
    »Ich fürchte, ich bin wohl nicht die Richtige, Liebes. Ich bin Hannah van der Beers Mutter. Weißt du, wo sie steckt? Ich komme zu spät, um sie abzuholen.«
    Peinlich berührt bemerkte Sarah, dass Hannah bereits auf das Auto zukam. Der Wagen sah aus wie der der Mackays, nur dass er ein anderes Nummernschild und eine Beule im vorderen Kotflügel hatte. War das Burenmädchen schon hier gewesen, als sie unbekümmert vor sich hin gesungen und kindische Tierlaute ausgestoßen hatte? Sarah lief purpurrot an. Wie konnte sie das nur ungeschehen machen? Sie begann etwas zu murmeln und bemühte sich, nicht in Tränen auszubrechen.
    »Es tut mir Leid. Meine Mutter kommt heute. Von der Küste. Von zu Hause. Sie hat einen Wagen der gleichen Marke. Ich dachte, Sie wären sie. Ich meine, ich dachte, sie wäre Sie …«
    Sarah war so beschämt, dass sie weder Mrs. van der Beer noch ihrer Tochter in die Augen schauen konnte. Sie rannte die Auffahrt zu den Schulgebäuden hinauf. In dem viereckigen Innenhof lehnte sie sich gegen eine Wand, ein Häufchen Elend. Hannah würde allen erzählen, was geschehen war. Und die ganze Klasse würde über sie lachen. Da war sie sich sicher. Aber wenn man überleben wollte, durfte man niemandem zeigen, dass man verletzt war – niemals. Das war Regel Nummer eins. Jemand stand neben ihr und redete auf sie ein.
    »Hörst du mich? Ich habe dich überall gesucht«, wiederholte Camilla Broughton-Smith. »Wo warst du?«
    »Ich habe auf der Auffahrt gewartet.« Sarah versuchte, ihre lähmende Niedergeschlagenheit abzuschütteln.
    »Deine Mutter hat angerufen. Ein Stein hat die Windschutzscheibe ihres Wagens zerbrochen. Sie lässt sie in Nakuru reparieren und wird morgen Mittag hier sein. Na, komm schon! Meine Güte, davon geht die Welt nicht unter!«
    Sarah zwang sich zu einem Lächeln. Sie konnte nicht erklären, warum sie so deprimiert war. Denn eigentlich verstand sie es selbst nicht. Sie hatte sich zum Narren gemacht, und morgen würde sich Hannah van der Beer köstlich über ihre Eigenheiten amüsieren. Vielleicht sollte sie allen von ihrem
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